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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall
Autoren: Andrea Schacht
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dem Buchweizenmehl, hergestellt wurden. Man verlockte die Speisenden mit dem Hinweis darauf, wie kalorienarm sie waren. Stimmte, der Teig bestand lediglich aus Mehl, Wasser und Ei. Allerdings ohne Füllung. Die hingegen konnte den zarten, hauchdünnen Teigfladen mühelos zur Kalorienbombe machen. Keldas Lieblingsvariante war die sogenannte
Complète
, bei der in die Mitte der Galette erst eine große Scheibe gekochter Schinken, dann eine passende Scheibe Käse und zum Schluss noch ein rohes Ei dekoriert wurde. Das alles wurde erhitzt und der Teig dann so dekorativ zusammengefaltet, dass nur das Eigelb herausschaute. Aber auch andere Variationen bot Marie-Claude an. Füllungen mit Meeresfrüchten, mit einer göttlichen Lauch-Sahne-Creme, mit Pilzen, mit Wurstscheiben und mit vielem anderen mehr. Mittags und abends erfreuten sich die meisten Besucher daran, nachmittags kamen jedoch auch viele auf eine süße Crêpe und Kaffee vorbei.
    Um zwei war der größte Ansturm vorbei, und Marie-Claude jagte sie aus dem Haus, mit dem Auftrag, endlich Urlaub zu machen. Kelda wanderte zu dem alten Fischerdorf Meneham, das irgendwann in den siebziger Jahren verlassen worden war und verfiel. Vor einigen Jahren hatte sich eine Initiative gegründet, die es sich zur Aufgabe gemachthatte, es als Museum wiederaufzubauen, so wie es vor über hundert Jahren ausgesehen hatte. Niedrige, strohgedeckte Feldsteinhäuser bargen Werkstätten von Kunsthandwerkern aller Art. In einem anderen, langgestreckten Ensemble konnte man Zimmer mieten. Man hatte sie hinreißend möbliert mit alten Kastenbetten samt Vorhängen und gestickter Leinenwäsche. Kelda war bezaubert. Die Bäder aber waren modern, und die Häuschen hatten eine gemeinsame, praktisch eingerichtete Küche und unter dem Dach einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit Sesseln und Sofas, einem Internetanschluss, Bücherregalen und allerlei Spielen.
    Welche Alternative zu einem Wohnmobil wäre das gewesen!, ging ihr durch den Kopf. Aber Matt hatte darauf bestanden, beweglich zu sein, dorthin zu fahren, wo die besten Windbedingungen waren.
    Kelda kletterte die Holzstiege wieder nach unten und schlenderte über den großen sandigen Platz, an dessen Rand ein Podest, vermutlich eine Bühne, errichtet worden war. Begrenzt wurde das kleine Freilichtmuseum zum Meer hin von einigen rundgewaschenen Felsen. Sie erklomm die Steine und stellte fest, dass hier, direkt am Meer, ein weiteres Steinhaus an den Felsen klebte, das einst als Ausguck gedient hatte. Trotz der gefährlichen Klippen, die vor der Küste aus dem Meer ragten, lebten die früheren Einwohner hier vom Fischfang. Oder Schmuggel, wie sie vermutete. England war nicht weit, und dazwischen lagen die kleinen Kanalinseln, die, wie Kelda aus der Geschichte der Bretagne wusste, schon immer ein Umschlagplatz für allerlei Konterbande gewesen waren. Bilder von den schönsten Schiffsunglücken und ihre Schilderung erquickten die Besucher in diesem Häuschen. Kelda machten sie schaudern. Zu nahe war sie am Tag zuvor genau diesen gefährlichen Felsen gekommen. Also kletterte sie von demAusguck herunter und besuchte als Letztes das Museumshaus mit seinen Werkzeugen und Trachten. Hier zeigte man, wovon die Bewohner des Dörfchens gelebt hatten. Neben der Landwirtschaft und dem Fischfang inklusive Schmuggel verdiente man sich einiges auch mit dem Sammeln von Algen. Getrocknete Algen, so informierte ein Ausstellungsraum des Museums, dienten als Dünger oder in Notzeiten auch als Viehfutter, Algenasche hingegen galt als Rohstoff für allerlei pharmazeutische und kosmetische Produkte. Goëmoniers nannte man die Algensammler, und in langgestreckten, flach ausgehobenen Gruben in den Dünen wurden die Algen verbrannt. Diese Öfen traf man noch immer entlang der Küste an.
    Gesättigt von lokaler Geschichte und hungrig nach einem Abendessen wanderte Kelda am späten Nachmittag zurück zur Crêperie, bot noch mal ihre Hilfe an, auf die man aber zum Glück verzichtete. Stattdessen wurde ihr ein weiteres köstliches Menü serviert.

Skandalöses Frühstück
    Simon rechtfertigte seinen morgendlichen Besuch bei Marie-Claude damit, dass er sich verpflichtet fühlte, sich nach dem Befinden seiner früheren Nachbarin zu erkundigen. Er hatte am Vortag die Begegnung noch mit einem beiläufigen Schulterzucken abtun wollen, aber ein hartnäckiger kleiner Stachel hatte ihn die ganze Nacht gepiekt. Vor langer Zeit einmal war Kelda der Schwarm seiner jugendlichen Träume
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