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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall
Autoren: Andrea Schacht
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sich schwungvoll auf das Sofa fallen.
    Es gab einen Knacks, ein Knarren, ein empörtes Kreischen von Holz, und mit einem ungeheueren Krachen fuhr sie in die Tiefe.
     
    Benommen schüttelte Kelda ihren Kopf. Das konnte nicht wahr sein, oder? Über ihr klaffte ein zackiges Loch, aus dem die Hälfte des roten Teppichs hing, auf dem das Sofa gestanden hatte. Die Deckenlampe schwankte leicht, und umsie herum tanzten Schatten. Vorsichtig fühlte sie in ihrem Körper nach. Tat etwas weh? Die linke Schulter schmerzte, die auf die Lehne geprallt war, das Steißbein ebenfalls, dessen Aufprall die marode Federung des Sofas nicht hatte dämpfen können, an ihrem Hinterkopf schien sich eine Beule zu entwickeln. Nichts aber blutete, und außer dass ihr Herz jagte und sie von dem aufgewirbelten Staub husten und niesen musste, war ihr nichts weiter passiert.
    So weit, so gut.
    Und jetzt?
    Vorsichtig stand sie auf und besah das Trümmerfeld.
    Dem Sofa ging es erheblich schlechter als ihr, stellte sie fest. Es hatte sich alle vier Beine gebrochen und lag wie ein gestrandetes Urtier auf dem festen, trockenen Steinboden. Zwei Meter waren sie beide hinabgestürzt. Nicht sehr tief, möchte man meinen, aber ohne Hilfsmittel kam sie nicht nach oben. Abgesehen davon schienen ihr die maroden Holzdielen, die den Boden bildeten, auch nicht vertrauenswürdig genug, daran ihre Klimmzüge versuchen zu wollen. Die Gefahr, dass der schwere Geschirrschrank bei einer solchen Übung ebenfalls über sie hereinbrechen würde, war ziemlich groß.
    Aber aus einem Keller führte ja meist auch eine Treppe nach oben, vermutete Kelda. Also sollte sie sich nach einem Ausgang umschauen. Die Lampe oben hatte aufgehört zu pendeln und spendete ihr stetiges, wenn auch nicht eben helles Licht. Ihre Augen hatten sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt, so dass sie ihr kleines Verlies genauer betrachten konnte. Ein rechteckiger Raum, die Wände an zwei Seiten aus dem Fels gehauen, die beiden anderen mit Mörtel verputzt – keine Tür, keine Treppe, kein Fenster. Nichts.
    Das war seltsam. Ein Kellerraum ohne Zugang? Wozu sollte der gut sein?
    Allerdings war an der Stelle, wo das Sofa gelandet war, der Putz von der Wand gebrochen. Sie zerrte an dem Möbel. Vielleicht war dahinter ein versteckter Ausgang. Man gab die Hoffnung ja nicht auf.
    Einige Zentimeter hatte sie die Rückenlehne nach vorne bewegt, als weiterer Mörtel rieselte und einen Hohlraum freigab.
    Kelda starrte drauf.
    Der Bewohner starrte hohläugig zurück, und in dem trüben Lampenlicht entzückten zwei Goldzähne in seinem grausigen Grinsen, das er trotz des offensichtlichen Lochs in seiner Stirn beibehalten hatte.
    L’Ankou, wie die Bretonen den Tod nannten, war in ihr Leben getreten.
    Immerhin, das Skelett schien nicht neueren Datums zu sein, und vermutlich erklärte es die Tatsache, dass der Keller des Hauses nicht jedermann zugänglich war.
    Kelda hatte sich inzwischen wieder soweit gefasst, dass sie konstruktive Überlegungen zu ihrer Situation anstellen konnte. Dieser Urlaub bot interessante Aspekte.
    Ihre Uhr zeigte ihr, dass es auf Mitternacht zuging – mit einem leicht hysterischen Kichern verscheuchte sie den Gedanken an die Geisterstunde. Sie hatte ein reichliches Abendessen zu sich genommen, ein einigermaßen bequemes Sofa, um darauf zu liegen, etwas Beleuchtung und schweigsame Gesellschaft. Morgen um neun würde der Besitzer des Hauses vorbeikommen, um den Mietvertrag mit ihr abzuschließen. Das war der passende Zeitpunkt, um ihn – wenn nötig schreiend – um Hilfe zu bitten, beschloss sie. Jetzt wäre es nur Atemverschwendung und würde ihre Stimmbänder ramponieren.
    Also setzte sie sich wieder auf das Sofa und tat das, was sie sich sowieso vorgenommen hatte: Sie dachte über ihre Situation – speziell ihr Liebesleben nach.
    Angesichts des Todes – der Unbekannte hatte ein seltsam bannendes Grinsen – gestand sie sich ein, dass sie Schiffbruch erlitten hatte.
    Kelda war zweiunddreißig, Matt ein Jahr jünger. Vor sechs Jahren hatte sie ihn kennengelernt – sie hatte gerade eine Stelle als Dolmetscherin für Französisch und Italienisch angenommen, Matt studierte noch. Sport, was sonst? Über seine Leidenschaft für das Surfen waren sie sich nähergekommen, und bei dieser Leidenschaft blieb es nicht. Daneben faszinierte sie auch seine Abenteuerlust, alleine hätte sie nie solche Reisen unternommen, nie solche Gestade kennengelernt, nie unter derart unmöglichen Bedingungen
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