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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall
Autoren: Andrea Schacht
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Miene. »So bei Tageslicht betrachtet, hält sich die Faszination, das Grab des armen Jerôme zu besichtigen, deutlich in Grenzen. Hat man noch irgendwelche anderen Spuren gefunden?«
    »Reste von Kleidung, Schuhen, einen Ehering. Ich habe versucht zu rekonstruieren, wie der Mann in den Keller gekommen ist. Wie es aussieht, gab es damals einen Eingang von außen. Seeseitig, dort, nahe dem Felsen. Er ist mit dem gleichen Beton verschlossen worden wie das Grab. Wie Yves sagt, war das früher ein Fischerhaus.«
    »Und man hat im Keller gleich den Fang gelagert, was?«
    Simon grinste.
    »Sozusagen.«
    »Vielleicht war jener traurige Jerôme ja auch ein Flüchtling? Oder ein Schmuggler?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Auf jeden Fall hat er sich Feinde gemacht. Und dieses Lothringer Kreuz …«
    »Kelda! Kelda, da bist du ja!«
    Ein junger Mann in schwarz-gelber Radlerkleidung vollführte eine rasante Schleuderbremsung mit seinem Fahrrad, die den Sand auf dem Weg aufwirbelte.
    »Ja, hier bin ich.«
    »Ich hab gehört, dass das Haus zusammengestürzt ist – darum bin ich gleich gekommen.«
    Er legte das Rad auf den Boden und trabte auf sie zu.
    »Wie fürsorglich von dir.«
    Kelda klang sarkastisch, stellte Simon fest und verzog sich in den Hintergrund. Das war also ihr derzeitiger Freund.
    »Na, hör mal, ich hab mir echt Sorgen gemacht.«
    Das klang vorwurfsvoll. Sie zuckte mit den Schultern.
    »Was ist, Kelda? Du bist doch nicht mehr sauer, oder? Du kommst doch jetzt wieder zurück, ja?«
    »Nein. Ich glaube, das hatte ich vorgestern deutlich gesagt.«
    »Ach, da warst du doch nur stinkig, weil wir gekentert sind.«
    »Ich bin noch immer stinkig, Matt. Deswegen komme ich nicht zurück. Du hast dein Wohnmobil ganz für dich alleine.«
    »Ja, aber du willst doch nicht etwa hier drin übermachten?«
    »Nein.«
    Keldas einsilbige Antwort irritierte Matt offensichtlich,und jetzt bemerkte er auch Simon, der sich schweigend im Hintergrund gehalten hatte.
    »Wer ist der da?«
    »Ein Architekt, der Altbausanierungen durchführt. Simon Johannsen. Er hat mich gestern Morgen gerettet. Simon, das ist Matt.«
    O ja, sie konnte sehr unterkühlt und unhöflich sein.
    »Hi. Also, kommst du jetzt mit?«
    »Nein.«
    »Hast du was mit dem?«
    »Nein.«
    »Mann, dann komm doch wieder mit, Kelda.«
    Der Junge hatte ein dickes Fell, stellte Simon fest. Und streitsüchtig war er offenbar auch. Ein unangenehmer Wichtigtuer, war Simons Urteil. Was fanden Frauen nur an solchen Gestalten? Damit der Szene ein Ende bereitet wurde, meinte er ruhig zu dem aufgebrachten Matt: »Sie scheinen das Wort ›Nein‹ irgendwie nicht zu verstehen.«
    »Mischen Sie sich da nicht ein!«
    Kelda sah von einem zum anderen und drehte sich dann zu Simon um. »Wir sollten uns auf den Weg machen, um Marie-Claudes Weingläser zu kaufen. Sie braucht sie für das Mittagessen. Oder hast du hier noch etwas zu tun?«
    »Nein, es ist alles in Ordnung.«
    Er ging zum Wagen, und sie schüttelte Matts Hand auf ihrem Arm ab. »Es ist vorbei, Matt. Es hat keinen Sinn mehr.« Ein eisiger Hauch lag in ihrer Stimme.
    »Aber Kelda …«
    »Ich habe es dir vorgestern erklärt, warum es mit uns beiden nicht mehr weitergehen kann, Matt. Ich muss mich nicht wiederholen.«
    Damit ließ sie ihn stehen.
    Sauber abserviert, urteilte Simon.
    Aber als sie sich neben ihm auf dem Beifahrersitz anschnallte, bemerkte er ihre Wut.
    »Sechs Jahre – die ersten davon wirklich atemberaubend, die beiden letzten … schwierig. Die vergangenen zwei Monate unerfreulich. Der Mörtel, der unsere Beziehung zusammengehalten hat, ist zerbröselt, und das Gebäude ist mit ein bisschen Kitt und Farbe nicht mehr zu sanieren. Ich hätte mich auf diese Reise nicht mehr einlassen dürfen, aber, großer Gott, man hofft ja doch immer noch auf eine unerwartete Wendung«, sagte sie und starrte dabei aus dem Seitenfenster.
    Simon schwieg. Es gab darauf wenig zu sagen. Außer, dass er sie verstand. Aber das hätte zu Erklärungen geführt, die er nicht bereit war zu machen.
    Sie kauften die Weingläser, fuhren die Küstenstraße zurück, und schließlich sagte er: »Die Wohnmobile und Zelte stehen in einem Naturschutzgebiet. Ein Anruf, und er wird weiterziehen und wahrscheinlich sogar ein deftiges Bußgeld zahlen müssen.«
    »Du magst die Surfer nicht?«
    »Sie sind mir gleichgültig, wenn sie sich auf den Campingplätzen vergnügen. Aber einige fallen hier ein wie die Heuschrecken, spielen sich auf, hinterlassen
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