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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade
Autoren: Jeri Taylor
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ihnen nicht mehr ziellos hin und her schwebten, sondern sich in ihre Richtung wandten. Waren sie entdeckt worden?
    Eine Sekunde später traten sie unter dem schützenden
    Blätterdach des Dschungels hervor.
    Das Donnern war jetzt fast ohrenbetäubend, der Dunst noch dichter. Vor ihnen zeigte sich die Ursache des Geräuschs und der hohen Luftfeuchtigkeit.
    Chakotay und seine Begleiter sahen einen gewaltigen
    Wasserfall.
    Sie standen am Rand einer Klippe. Links von ihnen floss ein mehrere Kilometer breiter Fluss dem etwa fünfhundert Meter entfernten Wasserfall entgegen.
    Dort stürzten Unmengen Wasser in eine Tiefe, die bodenlos zu sein schien. Die Fluten verschwanden in wogenden Wolken aus Wasserdampf – es ließ sich nicht abschätzen, wie tief der Abgrund sein mochte.
    Niemand von ihnen hatte jemals zuvor ein so gewaltiges Naturschauspiel gesehen. Die Menge des über den Rand der Klippe hinwegstürzenden Wassers ließ sich nicht einmal abschätzen. Ebenso unvorstellbar war das Ausmaß der
    kinetischen Energie, die hier freigesetzt wurde.
    Es handelte sich um ein überaus beeindruckendes Phänomen, das die Wissenschaftler der Voyager sicher gern untersucht hätten.
    Doch unter den gegenwärtigen Umständen schuf der Anblick Sorge.
    »Was jetzt, Commander?«, fragte Tom und versuchte, nicht beunruhigt zu klingen.
    Chakotay schwieg, blickte zum gewaltigen Wasserfall und suchte nach einer Antwort. Als er sich umdrehte, sah er, dass die Lichter der Fahrzeuge näher kamen – man hatte sie tatsächlich entdeckt.
    Plötzlich erschienen Gleiter über ihnen. Scheinwerferkegel tasteten kreisförmig umher und es konnte nur noch Sekunden dauern, bis einer von ihnen die Gruppe erreichte.
    Das Bild vor Chakotays Augen verschwamm und alles
    verschmolz miteinander: Der Wasserfall, die dichten Wolken aus Wasserdampf, der Dschungel, das Licht der
    Suchscheinwerfer, die erwartungsvollen Gesichter seiner Begleiter – alles wirbelte in kaleidoskopartigen Fragmenten durcheinander. Was sollte er unternehmen? Wie konnte er vermeiden, dass die Subu sie erneut gefangen nahmen? Was hatte Captain Janeway beabsichtigt? Entsprach diese seltsame Flucht überhaupt ihren Intentionen?
    Chakotäy dachte daran, wie er sich als Junge gefühlt hatte, als er mit klopfendem Herzen durch den Wald gelaufen war, wie ein freies Tier, eins mit der Natur. Er versuchte, sich auf diese Erinnerung zu konzentrieren, sich ganz von Rationalität und Logik zu befreien. Irgendetwas teilte ihm mit, dass er sich nur auf seine Instinkte verlassen konnte, nur auf die Verbindung mit dem urzeitlichen Geschöpf tief in seinem Innern. Vater, dachte er. Hilf mir.
    Und in Gedanken hörte er, wie die Stimme seines Vaters erwiderte: Vertrau dir. Du weißt, worauf es ankommt.
    Das Gefühl des Fallens kehrte zurück, das gleiche Empfinden wie an jenem Abend, als Captain Janeway das Borg-Modul in seine Wange implantiert hatte. Doch jetzt kam es ohne Entsetzen.
    Chakotay öffnete die Augen und wusste, was es zu
    unternehmen galt.
    Man konnte die Subu-Fahrzeuge jetzt hören. Sie stießen durch den Dschungel vor und die Gleiter sanken tiefer. Jede Sekunde zählte.
    »Wir springen«, sagte Chakotay. »Fassen Sie sich an den Händen. Los geht’s.«
    Eins musste man der Crew lassen: Niemand meldete
    Bedenken an; niemand zögerte. Vermutlich war ihnen allen klar, dass sie ohnehin mit dem Tod rechnen mussten, wenn die Subu sie erwischten. Ein verrückter Sprung in die Tiefe war der trotzigere Weg ins Jenseits.
    Sie fassten sich an den Händen – Tuvok trug Harry noch immer auf dem Rücken –, sprangen vom Rand der Klippe und stürzten in die Tiefe.
    Während des Falls durchlebte Chakotay sein ganzes Leben noch einmal.
    Er saugte an der Brust seiner Mutter, ließ die Lippen auch dann noch an der Brustwarze, als er längst satt war, genoss Wärme und Geborgenheit… Der Wind blies ihm das Haar in die Augen, als er auf einem Hügel stand, nicht weit von zu Hause entfernt, den Duft von Frühlingsblumen wahrnahm… Er spürte das Drängen der ersten Liebe, ein seltsames Feuer, das seinen ganzen Körper erfasste und einem schwarzhaarigen Mädchen galt… Er sammelte die Artefakte für seinen
    Medizinbeutel… fühlte Nadeln an der Schläfe, als die
    Ureinwohner von Mittelamerika eine rituelle Tätowierung in seine Schläfe stachen, ein letzter Tribut an seinen Vater… die Stimme einer Frau, die im Zwielicht sang… Er spürte Liebe, Schmerz, Sehnsucht, Ehrgeiz… Myriaden Emotionen, die ihn
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