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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M
Autoren: Bunker
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sieht mich nicht an, sein Kopf geradeaus, sein Blick stur auf die Fahrbahn gerichtet. Der Bus hält. Die Tür öffnet sich, ich steige aus. Ich bin noch nicht aus dem Bus draußen, noch mit dem Fuß auf der letzten Stufe, schon zwängen sich die ersten Schüler hinein. Stürmen lärmend den Bus, Schultaschen auf dem Rücken, Turnbeutel in den Händen. Rempeln, stoßen, schreien. Jeder versucht, als Erster einen Sitzplatz zu bekommen. Die Türen schließen sich hinter mir. Ich stehe am Straßenrand und schaue in Richtung Bus. Der Fahrer sitzt da hinter seinem Lenkrad und sieht immer noch stur geradeaus. Der Bus fährt an, fährt ganz knapp an mir vorbei. Ich überquere die Straße, gehe auf der gegenüberliegenden Seite weiter den Gehweg entlang. Außer mir ist niemand zu sehen, ich bin alleine. Das Echo meiner Schritte hallt von den umliegenden Gebäuden wider. Das Geräusch ist mir unangenehm.
    Es dämmert, die Häuser der Siedlung zeichnen sich nur schemenhaft ab. In einigen Wohnungen brennt Licht. Die Fenster sind helle Flecken in den grauen Fassaden der Häuser. Noch ist die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Die Lampen geben jedoch kaum noch Licht an die Umgebung ab. Ich gehe den asphaltierten Weg entlang auf mein Haus zu. Bleibe an der gläsernen Haustür stehen. Greife suchend mit der rechten Hand in meine Jackentasche und hole das Schlüsselbund heraus. Ich sperre auf, ziehe die Tür klackend gleich hinter mir ins Schloss.
    Ich nehme den Fahrstuhl, fahre vom Erdgeschoss hoch in das Zwischengeschoss zur 4. Etage. Laufe von dort die Stufen zu meiner Wohnung hinauf. Den Schlüssel immer noch in der Hand, öffne ich die Wohnungstür, gehe durch den Flur hinüber in die Küche. Behalte wie immer Jacke und Schuhe an, erst in der Küche ziehe ich die Jacke aus, hänge sie über den Stuhl. Ich gehe zur Küchenzeile, öffne die Kühlschranktür, bücke mich, hole die angebrochene Milch von gestern heraus. Dazu ein Glas aus dem Regal. Stelle Glas und Flasche auf den Tisch, setze mich auf den Stuhl. Streife die Schuhe von meinen Füßen und lasse sie unter dem Tisch liegen. Ich nehme die Flasche und gieße die kalte Milch in das Glas. Stelle sie wieder auf dem Tisch ab. Ein Tropfen der Milch rinnt vom Hals der Flasche über deren Bauch hinab auf die Tischplatte. Ich sitze da und sehe dem Tropfen zu. Greife nach dem Glas, nehme einen Schluck. Hebe den Kopf und schaue aus dem Fenster.
    Von meinem Platz kann ich auf das gegenüberliegende Haus sehen. Ein Licht nach dem anderen wird angeschaltet. Fenster um Fenster wird hell. Auch in der Wohnung vor mir geht das Licht an. Wie jeden Tag, immer zur selben Zeit. An den Fenstern keine Vorhänge. Ich sehe direkt in das Schlafzimmer. Die Frau läuft durch den Raum. Sie trägt ihr langes T-Shirt, es reicht gerade über ihren Po. Sie verschwindet aus dem Zimmer. Im Fenster daneben geht das Licht an. Ich sehe in die Küche. Die Katze springt auf die Fensterbank, streckt sich, lässt sich träge nieder. Sie kommt und streichelt das Tier. Geht vom Fenster weg, kommt nach einiger Zeit mit einer Tasse zurück. Sie stellt sie auf den Tisch, setzt sich. Mein Blick folgt ihr, folgt jeder Bewegung. Sie nimmt die Tasse, trinkt, stellt sie wieder ab. Sie liest Zeitung, trinkt, ohne den Blick zu heben. Die Katze erhebt sich von ihrem Platz auf dem Fenstersims, streckt sich, springt träge hinüber zum Tisch, lässt sich streicheln und verschwindet aus meinem Blickfeld. Auch die Frau steht auf, nimmt die Tasse, stellt sie auf die Arbeitsplatte hinter sich und verlässt den Raum. Ich bleibe weiter an meinem Platz, trinke die Milch, sehe zum Fenster hinüber, warte. Nach einigen Minuten sehe ich sie wieder, diesmal im Schlafzimmer. Sie ist nackt, ein Handtuch um die Haare gewickelt. Sie geht durch den Raum auf den Schrank zu, öffnet ihn. Die Schranktür nimmt mir jetzt den Blick auf sie, ich kann sie erst wieder sehen, nachdem sie sich angezogen hat. Sie trägt einen Rock, ihre weiße Bluse. Sie schließt den Schrank, blickt sich um, schaltet das Licht aus und verlässt das Zimmer.
    Ich stehe auch auf, gehe hinüber in mein Schlafzimmer und werfe mich aufs Bett.
    Ich liege da, das Kopfkissen an mich gepresst, die Augen geschlossen. Denke an die Frau in der gegenüberliegenden Wohnung. An ihre Nacktheit, ihren Körper, wie sie wie in Zeitlupe durch den Raum geht. Denke an sie, wie jeden Tag.
    Ich öffne die Augen. Richte mich im Bett auf, sehe mich im Zimmer um. Niemand da. Ich lasse mich wieder
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