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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot
Autoren: Tess Gerritsen
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abbezahlen und weiter denselben verbeulten alten Toyota fahren.« Er schüttelte den Kopf. »Als ich mir das Video ansah, das Olena für mich abgegeben hatte, wusste ich sofort, dass da sehr viel mehr für mich drinsteckte als ein Pulitzerpreis. Ich wusste, wer mich dafür bezahlen würde.«
    »Dieses Video, das Joe ihnen geschickt hat – Sie haben es also doch bekommen.«
    »Beinahe hätte ich es allerdings in den Müll geworfen. Und dann dachte ich mir, ach, was soll’s, wollen doch mal sehen, was da drauf ist. Ich habe Carleton Wynne sofort erkannt. Er wusste nicht einmal von der Existenz des Videos, bis ich zum Telefon griff und ihn anrief. Er dachte, er müsste nur ein paar Huren aus dem Weg räumen. Mit einem Mal war die Sache sehr viel ernster geworden. Und teurer.«
    »Er war tatsächlich bereit, mit Ihnen einen Deal zu machen?«
    »Wären Sie das nicht auch? Wenn Sie wüssten, was dieses Video Ihnen antun könnte? Wenn Sie wüssten, dass noch weitere Kopien im Umlauf sind?«
    »Glauben Sie ernsthaft, dass Wynne Sie am Leben lassen wird? Jetzt, nachdem Sie ihm Joe und Olena ans Messer geliefert haben? Er hat jetzt alles von Ihnen, was er braucht.«
    Der Blonde unterbrach sie: »Ich brauche eine Schaufel.«
    Aber Lukas sah immer noch Jane an. »Ich bin schließlich nicht dumm«, sagte er. »Und Wynne weiß das.«
    »Die Schaufel?«, wiederholte der Blonde.
    »In der Garage steht eine«, antwortete Lukas.
    »Holen Sie sie mir.«
    Als Lukas sich auf den Weg zur Garage machte, rief Jane ihm nach: »Sie sind ein Vollidiot, wenn Sie glauben, Sie würden lange genug leben, um Ihr Schweigegeld genießen zu können.« Regina lag stumm in Janes Arm, eingeschüchtert vom Zornesausbruch ihrer Mutter. »Sie haben gesehen, wie diese Leute vorgehen. Sie wissen, wie Charles Desmond gestorben ist. Und Sie wird man irgendwann auch mit aufgeschnittenen Pulsadern in ihrer eigenen Badewanne finden. Oder Sie kriegen eine Packung Barbiturate verabreicht und werden in der Bucht über Bord geworfen, wie sie es mit Olena gemacht haben. Oder vielleicht wird Ihnen dieser Kerl da auch ganz schlicht und einfach eine Kugel in den Kopf jagen.«
    Lukas kam ins Haus zurück, in der Hand einen Spaten, den er dem blonden Mann übergab.
    »Wie tief ist der Wald dort hinter dem Haus?«, fragte der Mann.
    »Der gehört zur Blue Hills Reservation. Der Streifen ist mindestens eine Meile breit.«
    »Wir müssen weit genug reingehen mit ihr.«
    »Hören Sie, damit will ich nichts zu tun haben. Dafür bezahlt er Sie schließlich.«
    »Dann müssen Sie sich um ihr Auto kümmern.«
    »Warten Sie.« Lukas griff hinter das Sofa und holte die Windeltasche hervor. Er hielt sie dem Blonden hin. »Ich will keine Spuren von ihr in meinem Haus haben.«
    Gib sie mir, dachte Jane. Gib mir meine verdammte Tasche.
    Doch der Blonde hatte sie schon über die Schulter geworden und sagte: »Machen wir einen Spaziergang in den Wald, Detective.«
    Jane wandte sich zu Lukas um. Sie konnte sich eine letzte bissige Bemerkung nicht verkneifen. »Sie kriegen auch noch Ihr Teil, Lukas. Sie sind ein toter Mann.«
    Draußen hing ein bleicher Halbmond am sternenübersäten Himmel. Mit Regina auf dem Arm stolperte Jane durch Unterholz und Strauchwerk, nur der schwache Lichtstrahl der Taschenlampe des Killers wies ihr den Weg. Er achtete sorgfältig darauf, ihr in ausreichendem Abstand zu folgen, um ihr keine Gelegenheit zu geben, sich plötzlich auf ihn zu stürzen. Mit Regina im Arm hätte sie das sowieso nicht fertig gebracht. Mit Regina, die doch erst ein paar kurze Wochen auf der Welt war.
    »Mein Baby kann Ihnen nichts tun«, sagte Jane. »Sie ist doch noch keinen Monat alt.«
    Der Mann sagte nichts. Nur das Geräusch ihrer Schritte hallte durch den Wald. Das Knacken von Zweigen; das Rascheln des Laubs. So deutlich zu hören – nur, dass niemand in der Nähe war, der es hätte hören können.
Wenn eine Frau im Wald umfällt und niemand sie hört …
    »Sie könnten sie einfach mitnehmen«, sagte Jane. »Und sie irgendwo ablegen, wo man sie finden wird.«
    »Das Kind ist nicht mein Problem.«
    »Sie ist doch noch ein
Baby!
« Janes Stimme versagte plötzlich. Sie blieb unter den Bäumen stehen und drückte ihre Tochter an die Brust, während ihr die Tränen in die Augen stiegen und es ihr die Kehle zuschnürte. Regina gurrte leise, wie um sie zu trösten, und Jane schmiegte ihr Gesicht an den Kopf ihrer Tochter, atmete den süßen Duft ihrer Haut ein, spürte die Wärme
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