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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot
Autoren: Tess Gerritsen
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bekommen habe.«
    »Und zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich bereits getrennt, um der Verhaftung zu entgehen. Aber sie nahmen je eine Kopie mit. Olena haben sie erwischt, ehe sie ihre Kassette zur
Tribune
bringen konnte. Joes Kopie wurde vermutlich nach dem Sturm auf die Klinik einkassiert.« Sie deutete auf den Fernseher. »Das da ist die letzte Kopie.«
    Lukas wandte sich zu Mila um, die sich in der anderen Ecke des Zimmers herumgedrückt hatte wie ein nervöses Tier, das sich nicht näher an die Menschen heranwagt.
    »Haben Sie diesen Mann auf dem Video selbst gesehen, Mila? War er dort in dem Haus?«
    »Auf dem Boot«, antwortete sie, und sie konnten sehen, wie ein Schauer sie überlief. »Ich habe ihn bei der Party auf dem Boot gesehen.«
    Lukas sah Jane an. »Ob sie damit Charles Desmonds Yacht meint?«
    »Ich glaube, so hat Ballentree seine Geschäfte abgewickelt«, sagte Jane. »Desmonds Welt war ein einziger Herrenclub. Rüstungsaufträge, Beziehungen zum Pentagon. Wenn die großen Jungs mit großen Geldsummen hantieren, können Sie wetten, dass auch Sex mit im Spiel ist. Als Möglichkeit, ein Geschäft zum Abschluss zu bringen.« Sie ließ die Kassette auswerfen und sah Lukas an. »Wissen Sie, wer dieser Mann ist? Der auf dem Video?«
    Lukas schluckte krampfhaft. »Tut mir Leid. Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass das Video echt ist.«
    »Der Mann muss ein ganz großes Tier sein. Überlegen Sie doch einmal, was er alles fertig gebracht hat – welche Mittel er zur Verfügung hatte, um an dieses Video heranzukommen.« Sie stellte sich vor Lukas. »Wer ist er?«
    »Sie erkennen ihn nicht?«
    »Sollte ich das?«
    »Nur, wenn Sie letzten Monat die Anhörungen im Kongress mitverfolgt haben. Das ist Carleton Wynne. Der neue Direktor des Nationalen Geheimdiensts.«
    Jane stieß die Luft durch die Zähne aus und sank auf einen Stuhl gegenüber von ihm. »Mein Gott. Sie sprechen von dem Mann, dem sämtliche Nachrichtendienste in diesem Land unterstehen?«
    Lukas nickte. »Das FBI. Die CIA. Der Militärgeheimdienst. Insgesamt fünfzehn Behörden, darunter Abteilungen des Heimatschutz- und des Justizministeriums. Das ist jemand, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Dass Sie Wynne nicht erkannt haben, liegt daran, dass er kaum im Blick der Öffentlichkeit steht. Er ist eine dieser unscheinbaren Gestalten in grauen Anzügen. Vor zwei Jahren ist er aus der CIA ausgeschieden, um die Leitung des neu geschaffenen
Strategic Support Branch
des Pentagons zu übernehmen. Nachdem der letzte Geheimdienstkoordinator gezwungen wurde, seinen Hut zu nehmen, ernannte das Weiße Haus Wynne zu seinem Nachfolger. Seine Nominierung ist erst vor kurzem bestätigt worden.«
    »Bitte«, meldete sich Mila zu Wort. »Ich muss auf die Toilette.«
    »Ganz am Ende des Flurs«, murmelte Lukas. Er blickte nicht einmal auf, als Mila zur Wohnzimmertür hinausschlüpfte. Sein Blick blieb auf Jane gerichtet. »Es ist nicht leicht, einen Mann wie ihn zu Fall zu bringen«, sagte er.
    »Mit diesem Video könnte man sogar King Kong zu Fall bringen.«
    »Wynne hat ein ganzes Netzwerk von Kontakten im Pentagon und bei der CIA. Dieser Mann ist der handverlesene Kandidat des
Präsidenten.
«
    »Jetzt gehört er mir. Und ich werde ihn zur Strecke bringen.«
    Es klingelte an der Tür. Jane blickte erschrocken auf.
    »Entspannen Sie sich«, sagte Lukas, indem er aufstand.
    »Das ist wahrscheinlich bloß mein Nachbar. Ich habe ihm versprochen, an diesem Wochenende seine Katze zu füttern.«
    Trotz seiner beschwichtigenden Worte saß Jane gespannt auf der Stuhlkante und lauschte, als Lukas die Tür öffnete. Seine Begrüßung war zwanglos: »Hallo, kommen Sie rein.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte der andere Mann.
    »Ja, wir haben uns gerade ein Video angeschaut.«
    In diesem Moment hätte Jane begreifen müssen, dass irgendetwas nicht stimmte, aber Lukas’ entspannter Ton hatte sie besänftigt, hatte sie in dem Gefühl gewiegt, dass sie in seinem Haus, in seiner Gegenwart sicher wäre. Der Besucher trat ins Wohnzimmer. Er hatte kurz geschorenes blondes Haar und mächtige Muskelpakete an den Armen. Selbst als Jane die Pistole sah, die er in der Hand hielt, wollte sie noch nicht recht wahrhaben, was da soeben passierte. Langsam erhob sie sich; das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wandte sich zu Lukas um, und auf ihren bestürzten Blick angesichts dieses Vertrauensbruchs reagierte er mit einem bloßen Schulterzucken. Seine Miene schien zu sagen:
Sorry,
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