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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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floss über das Kissen, die Hände waren über der Brust gefaltet. Zwei dicke Kerzen standen am Kopfende, eine Frau saß schluchzend daneben.
    „ Wir haben keine Erklärung dafür, ihr kleines Herz hat einfach aufgehört zu schlagen.“
    Die Welt rund um Juri stand still, als er die über den Tod hinausreichende Zufriedenheit des Mädchen spürte und das letzte Geheimnis erkannte: Jemand anders hatte seinen Platz in der Hölle eingenommen.
     
     

Licht meines Lebens
     

Paris, 1788
     
    Leichfüßig durchquerte sie den dunklen Park, schlich an der Wand des Hauses entlang und versuchte ihren rasenden Herzschlag zu ignorieren. Sie fühlte sich verrucht und lasterhaft, kein anständiges Mädchen war nachts allein unterwegs, noch dazu auf dem Weg zu einem heimlichen Rendezvous.
    Sie biss sich auf die Unterlippe, um das aufsteigende hysterische Lachen zu unterdrücken. Der liebe Jérôme, er wartete sicher schon voller Ungeduld an der vereinbarten Stelle auf sie. Natürlich war sie nicht pünktlich, denn damit steigerte sie seine Vorfreude. Jérôme, Marquis de Montignard. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Sie war nahe, so nahe. Einige anbetende Blicke noch, ein paar glühende Küsse und sie war für den Rest ihres Lebens die Marquise de Montignard. Isabelle, Marquise de Montignard, sang ihr Herz. Sie würde Perlen und Juwelen und wunderschöne Kleider tragen, die Sommer auf einem kleinen Schlösschen an der Loire verbringen und jeden Tag heiße Schokolade und duftende Brioches zum Frühstück ans Bett gebracht bekommen.
    Der kleine Pavillon schimmerte im Mondschein. Sie verlangsamte ihre Schritte, um sich wirkungsvoll präsentieren zu können. Zweifellos blickte Jérôme ihr entgegen, so wie er es immer tat, und sie wollte ihn nicht enttäuschen. Schemenhaft nahm sie seine Silhouette an einer der Säulen wahr und zog dann die Brauen zusammen. Er war nicht alleine. Eine Frau umarmte ihn leidenschaftlich, presste ihren Körper an den seinen. Isabelle blieb stehen.
    Die Frau drehte sich um und Isabelle konnte ihr Gesicht sehen. Nur war es kein Gesicht. Es war eine Fratze, die Fratze eines Ungeheuers mit leuchtenden gelben Augen und langen Reißzähnen. Und jetzt erkannte sie auch, dass dieses Wesen Jérôme nicht umarmte, sondern festhielt, um zu verhindern, dass er wie eine Lumpenpuppe zu Boden fiel. Isabelle starrte auf seine schlaff herabhängenden Arme und den seitlich baumelnden Kopf. In einer Ecke ihres Verstandes dämmerte ihr, dass der Traum von der Marquise ausgeträumt war. Jérôme würde niemanden heiraten. Jérôme de Montignard war so tot wie man mit einem gebrochenen Genick nur tot sein konnte.
    Der Schrei erstarb in ihrer Kehle, als sich eine kalte Hand über ihren Mund legte. Gnädigerweise verließ sie an diesem Punkt ihr Bewusstsein und sie versank in samtiger Dunkelheit.
     
    Der Schmerz in ihren Armen holte Isabelle aus der Bewusstlosigkeit. Sie lag auf einem Bett und ihre Handgelenke waren hinter dem Kopf an den Pfosten festgebunden. Auch ihre gespreizten Beine hatte man an den Knöcheln mit dünnen Seilen ans Bett gefesselt. Sie war nackt. Scham und Panik drängten in ihr Bewusstsein, doch bevor sie etwas davon verarbeiten konnte, hörte sie eigenartige Geräusche neben sich. Langsam, beinahe widerwillig drehte sie den Kopf.
    Zwei marmorfarbene Leiber glitten schlangengleich übereinander, bewegten sich miteinander, gegeneinander in einem obszönen Rhythmus, Stöhnen wechselte sich mit leisem Knurren ab. Isabelles Wangen röteten sich. Zweifellos geschah hier das, was nur Eheleuten vorbehalten war. Sie hatte Dienstmädchen darüber flüstern und kichern hören, aber jetzt wurde sie unmittelbar Zeugin des Geschehens. Das Stöhnen nahm zu, lange schlanke Beine pressten sich um die Hüften des Mannes, Fingernägel ritzen seinen Rücken, ehe sich die beiden Körper aufbäumten, um kurz danach bewegungslos auf dem Bett zu verharren.
    Isabelle starrte in das Gesicht der Frau, das sich vor ihren Augen von der Raubtierfratze in atemberaubend schöne Züge verwandelte. Die blassen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und sie rüttelte den Mann, der auf ihr lag, an der Schulter. „Chéri, unser Püppchen ist aufgewacht.“
    Der Mann hob den Kopf und mit wachsendem Entsetzen stellte Isabelle fest, dass sie ihn kannte. Krampfhaft versuchte sie sich zu erinnern, wo sie ihn gesehen hatte. Da streckte er eine Hand aus und wickelte eine Strähne ihres honigfarbenen Haares um seine Finger. „Isabelle,
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