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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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Licht meines Lebens“, murmelte er träge und grinste, bevor er sich ganz aufrichtete. Er rutschte vom Bett und ging, nackt wie er war, quer durchs Zimmer zu einem Tischchen, auf dem ein Silbertablett mit einer Karaffe und mehreren Kristallgläsern stand.
    Isabelle blickte ihm nach und überlegte, woher sie ihn kannte, allerdings ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
    Mit einem Glas in jeder Hand umrundete er das Bett und reichte eines davon der Frau, die sich noch immer neben ihr räkelte. Die rubinrote Flüssigkeit schimmerte im Licht der Kerzen und für einen Moment dachte Isabelle, dass die Gläser mit Blut gefüllt waren. Dann verwarf sie den Gedanken, der zweifellos ihrer überreizten Phantasie entsprang.
    Ohne Eile stellte der Mann sein leeres Glas auf das Nachtkästchen und kniete sich zwischen ihre Beine. Isabelle starrte ihn aus angstgeweiteten Augen an.
    „ Nun, Isabelle ...“
    In diesem Moment fiel ihr ein, wer er war. André ... André irgendwas. Der einfältige junge Tölpel, der sie Wochen und Monate mit Gedichten und selbstgemalten Bildchen belästigt hatte; sie vor ihren hochwohlgeborenen Verehrern lächerlich machte, indem er unermüdlich seine Liebe beteuerte und ihr wie ein Hündchen nachlief. Dann verschwand er spurlos von heute auf morgen. Sie hatte erleichtert aufgeatmet, und keinen weiteren Gedanken mehr an ihn verschwendet.
    Und jetzt war er plötzlich wieder da. Obwohl ... er sah anders aus. Größer. Seine Schultern wirkten breiter. Er trug keine Brille mehr und seine Augen ... Augen, die sie immer liebevoll angehimmelt hatten, besaßen jetzt die Farbe und Unergründlichkeit von Quecksilber.
    „ Nun, Isabelle“, wiederholte er. „Du erinnerst dich also doch an mich.“
    Seine Finger strichen über ihr Knie zu ihrem Schenkel und sie begann zu zittern. „Allerdings bin ich nicht mehr ganz so wie bei unserer letzten Begegnung.“
    Noch während er sprach, veränderte sich sein Gesicht und verlor alles Menschliche. Gleichzeitig fiel ihr auf, dass die Hand auf ihrem Schenkel eiskalt war. Das Grauen, das sich in ihrem Körper ausbreitete, entzog sich jeglicher Kontrolle. Sie kannte die Geschichten über Ungeheuer, die nächtens unschuldige Bürger überfielen und ihnen das Blut aussaugten. Aber das waren Legenden, Märchen, die man sich beim Kaminfeuer mit einem angenehmen Schauer erzählte, das konnte nicht die Wirklichkeit sein.
    Das Wesen vor ihr fletschte die Zähne, einen Augenblick später sah es wieder aus wie ein Mensch. „Du warst das Licht meines Lebens, der Grund warum ich morgens aufstand, nach Worten und Farben suchte, die sogar die Sonne vor Neid auf deine Schönheit erblassen lassen würden.“ Seine Finger spielten mit den dunklen Löckchen zwischen ihren Beinen. „Allerdings habe ich jetzt für ein Licht nicht die allergeringste Verwendung mehr, weil mein Leben kein Leben mehr ist. Ich stehe morgens nicht auf ... wenn ich nach Worten und Farben suche, dann nur ...“ Die Frau war plötzlich hinter ihm, schlang ihre Arme um seinen Körper und küsste ihn auf den Hals. Ihr seidiges, dunkles Haar floss über seine Schulter. „ ... nur um die Schönheit meiner Gefährtin zu rühmen.“
    Die Hände der Frau streichelten seine Brust, ihre Zunge glitt träge über seine bleiche Haut. Er schloss genussvoll die Augen und legte den Kopf in den Nacken.
    Isabelle fing den Blick der Frau auf, die sie unablässig beobachtete. Wie eine Katze die Maus. Etwas lag in diesen Augen, das Isabelles Panik in eine neue Dimension schraubte. Wie durch einen Tunnel sah sie, dass der Mann den Kopf zur Seite drehte und den Mund öffnete. Was folgte, war die frivole Parodie jener Küsse, die Isabelle kannte. Kein sanfter Austausch von Zärtlichkeiten, kein tastendes Berühren, sondern das Verschmelzen zweier Münder in der Absicht, den anderen zu verschlingen. Hunger und Gier, zügellos zur Schau gestellt ohne Scham, ohne Hemmung. Der einzige Gedanke, der Isabelle beherrschte, war Flucht. Sie wollte weg, musste weg, bevor ...
    Die beiden lösten sich von einander, als sie so heftig an den Fesseln zerrte, dass das Bett ächzte.
    „ Oh, unser Püppchen will auch spielen“, gurrte die Frau. „Wollen wir mit ihr spielen, André, wollen wir?“
    Der Mann befreite sich aus der Umarmung und rutschte näher. Er stützte die Hände neben Isabelles Kopf auf und beugte sich über sie. „Du weißt doch, was ich bin?“, fragte er beinahe zärtlich.
    Sie konnte ihn nur aus aufgerissenen Augen anstarren und seine
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