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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer
Autoren: Alexey Pehov
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Bauern Vagliostriens und des Hinterlandes beneideten.
    Gosmo täuschte ich damit natürlich nicht. Dennoch polierte er die Bierkrüge weiter, als sei nichts geschehen.
    »Wirklich wahr. Am Morgen wurde er mit aufgeschlitzter Kehle gefunden. Und der Garrinch, der seinen Reichtum bewachen sollte, war ganz mit seiner Räude beschäftigt und hat auf keinen Menschen geachtet.«
    »Tatsächlich?«, staunte ich erneut. »Wer hätte je einen Garrinch im Palast des Kronherzogs vermutet? Ich für meinen Teil habe davon noch nie gehört.«
    Der Schankwirt überging einfach meinen Tadel. Das musste der Neid ihm lassen: Manchmal konnte er sich absolut taub stellen.
    »Für dich das Übliche?«, wollte er wissen.
    »Hmm. Ist mein Tisch frei?«
    Gosmo nickte, und ich zog mich – an lauthals streitenden betrunkenen Hochstaplern und einer auf der Bühne singenden halbnackten Dirne vorbeigehend – in den schummrigen hinteren Teil des Raums zurück, an einen einsamen Tisch. Ich setzte mich mit dem Rücken zur Wand und dem Gesicht zum Eingang, eine alte Gewohnheit, über Jahre hinweg angeeignet. Wie von Zauberhand erschienen unverzüglich ein Krug Porter und ein Teller mit in Käse gebackenem Fleisch vor mir. Man konnte von Gosmo sagen, was man wollte, aber seinem Koch kam zuweilen eine Erleuchtung, und dann kochte er nicht schlechter als die Jungs beim Baron oder beim Herzog. Die ganze Herrlichkeit servierte eine Augenweide von Kellnerin, die mir fröhlich zuzwinkerte, dann aber, sobald sie meine ewig finstere Miene sah, schnaubte und hüftschwingend in die Küche abzog, während sie begeisterte Blicke von den Nachbartischen einheimste.
    Ihre unbestreitbare Pracht ließ mich kalt, da ich ja abtauchen musste. In der Stadt würde bald die Hölle los sein.
    Ein Bauer konnte von fünfzehn Goldmünzen fast ein ganzes Jahr lang unbekümmert leben, für mich stellte diese Summe jedoch keinen großen Reichtum dar. Und von meiner Arbeit ließ ich in den nächsten zwei Monaten besser die Finger. Nach dem Tod des Herzogs dürfte in ganz Awendum eine Hetzjagd auf jeden einzelnen Dieb losbrechen, bei der es möglich war, dass man mich gleich mit einkassierte – selbst wenn ich das den Untergebenen Frago Lontons nicht unbedingt zutraute. Überhaupt hegte ich nicht gerade die beste Meinung von der Stadtwache.
    Ich hatte noch nicht an meinem Bier genippt, als sich eine hagere bleiche Gestalt vor mir aufbaute. Ohne viel Federlesens nahm der Kerl auf dem freien Stuhl mir gegenüber Platz. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen.
    »Kann mich nicht erinnern, jemanden eingeladen zu haben«, bemerkte ich so gleichgültig wie möglich.
    Diese Erscheinung missfiel mir auf Anhieb. Die bleiche Hautfarbe und der magere Körperbau legten den Gedanken nahe, mir säße ein Vampir gegenüber, aber das war natürlich Unsinn. Vampire gibt es nicht. Dieser ungebetene Gast war ein Mensch. Ein gefährlicher Mensch. Klar bemessene Gesten, keine einzige überflüssige Bewegung, Augen, die mich kalt, durchdringend und abschätzend musterten. Nein, mein Gegenüber war nicht nur gefährlich – er war hochgefährlich. Ich wollte schon nach meiner Armbrust greifen, überlegte es mir dann aber. Man kann es auch übertreiben. Vielleicht wollte er ja nur über das Wetter reden. Dem ungebetenen Gast war meine vorübergehende Anspannung nicht entgangen. Er setzte ein schiefes Grinsen auf. »Bist du Garrett?«, fragte er.
    »Kann sein.« Ich zuckte die Achseln und trank von meinem Bier.
    »Man hat mich gebeten, dir etwas …«
    »Zu geben? Geld?«, tat ich ehrlich verwundert.
    »Natürlich nicht.« Der Bleichling ließ sich nicht beirren. »Ich soll dir etwas von Markun ausrichten. Er ist unzufrieden.«
    »Seit wann überbringt ein gedungener Mörder Botschaften vom Kopf der Diebesgilde?«, fragte ich scharf. »Oder macht die Mördergilde mittlerweile gemeinsame Sache mit der Diebesgilde?«
    »Das braucht dich nicht zu interessieren, Garrett.« Es brachte Bleichling in keiner Weise aus der Ruhe, dass ich wusste, womit er sein Geld verdiente. »Markun fordert dich zum letzten Mal auf, der Gilde beizutreten und deine Beiträge zu entrichten.«
    Ach ja, die Gilden! Der König war auf dem linken Auge blind, wenn es um die der Diebe ging, auf dem rechten, wenn es um die der Mörder ging. Zumindest noch. Die Machthaber belangten diese zweifelhaften Organisationen nicht, solange sie nicht allzu frech wurden und ihre Steuern zahlten. Und das musste man ihnen lassen: In die Staatskasse flossen
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