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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz
Autoren: Clay und Susan Griffith
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nächste Angriff kommen würde, und zogen sich zurück, obwohl es wenig gab, wohin sie sich wenden konnten.
    Dann zerbarst ein breiter Teil der geschwächten Schottwand dicht am Deck in einer Wolke aus Staub und Holzsplittern. Durch den Nebel aus Rauch starrte Adele in das Gesicht des weiblichen Vampirs, den sie vorhin an Deck durchs Fernrohr gesehen hatte. Nun hinderte nichts mehr die Vampirin daran, hereinzukommen.
    Adele zerrte Simon mit sich, als sie zurückwich. Er weinte leise an ihrer Seite. Sie konnte spüren, wie sich die Angst ihres Bruders mit der ihren vermischte. Doch es blieb keine Zeit für tröstende Worte, denn das Gesicht des Todes erschien im Loch. Kopf und Schultern der Vampirin wurden sichtbar, als ein langer, knochiger Arm zielstrebig nach ihnen krallte.
    Entschlossen, ihren Bruder zu beschützen, riss Adele den Spieß hoch und stieß erneut zu. Der Marlspieker bohrte sich durch Rippen und Fleisch, grub sich tief ins Holz und nagelte die Vampirin an den Planken fest. Die Kreatur fauchte zähnefletschend und schlug wütend um sich, doch es gelang ihr nicht, sich zu befreien.
    Plötzlich erbebte das Schiff, und Adele und Simon wurden aufs Deck geschleudert. Ihr Magen hob sich, als das große Luftschiff jäh absackte. Alles in der Kabine geriet langsam ins Rutschen. Adele packte eine Matratze und versuchte, sie als Schild für sich und Simon zu benutzen.
    »Wir stürzen ab!«
    Die HMS Ptolemy prallte auf den Boden.
    Die Wucht des Aufschlags riss Adele und Simon unter der Matratze hervor und schleuderte sie durch die Luft. Heftig krachten sie gegen die Wände. Adele schien stundenlang taumelnd ins Bodenlose zu stürzen. Ihre Welt bestand aus Lärm und Schmerz. Sie wusste nicht mehr, wo oben oder unten war.
    Als es schließlich endete, lag Adele reglos in der flackernden Dunkelheit. »Simon!«, rief sie erstickt. »Simon! Geht es dir gut?« Es kam keine Antwort. Sie hörte nichts – keine Schreie, keine Schüsse oder Explosionen. Heftig zerrte sie an den Matratzen und zusammengerollten Hängematten um sie herum und kämpfte sich auf die Beine, fand aber keinen sicheren Stand. Sie konnte Rauch riechen. Das Schiff brannte. Sie mussten raus.
    Dann sah Adele ein kleines Bein, das merkwürdig in die Luft ragte. Verzweifelt krabbelte das Mädchen darauf zu und packte den Knöchel. Sie zerrte die Trümmer beiseite und tastete sich am Körper ihres Bruders entlang, bis sie die Vorderseite seines Mantels zu fassen bekam. Mit aller Kraft zog sie Simon aus dem Trümmerschlund und starrte ihm ins Gesicht. Seine Augen waren offen.
    »Sind wir tot?«, fragte er hustend vor Rauch und Staub.
    Fest drückte Adele das Gesicht an seine sich schwer hebende und senkende Brust. »Nein. Es geht uns gut. Wir haben es geschafft. Jetzt müssen wir einfach nur warten, bis ein anderes Schiff kommt und uns holt.« Es war ein schwacher Versuch, ihn zu beruhigen. Ihr Blick flog hin und her, doch keine schreckenerregenden Gesichter starrten ihr entgegen.
    Zusammen bahnten sich die kaiserlichen Geschwister mit unsicheren Schritten ihren Weg zwischen den durcheinandergeschleuderten Matratzen hindurch zur Tür der Kabine. Ein Aufblitzen fiel Adele ins Auge, und sie sah ihren Dolch unter den Trümmern liegen, dessen chemisch erhitzte Klinge zu einer normalen Waffe abgekühlt war. Mit einem kleinen Triumphschrei hob sie ihn auf und ließ ihn zurück in die Scheide an ihrem Gürtel gleiten, damit er sich wieder auflud. Adeles Schultern und Beine fühlten sich heiß an, doch sie hielt nicht inne, um zu überprüfen, ob sie verletzt war. Besser, das einstweilen nicht zu wissen. Sie traten Wrackteile vor der Tür beiseite, dann zog Adele sie auf. Der Gang draußen war eine Welt aus Trümmern. Hölzerne Planken und Metallstangen, Fässer und zersplitterte Balken bildeten eine zerklüftete Landschaft. Rotröcke, die vor der Tür Wache gestanden hatten, lagen in dem Chaos gefangen. Sie waren alle tot. Adele hielt Simon die Augen zu.
    So schnell sie konnten, bahnten sich die beiden ihren Weg von den Überresten der Kabinen hoch zum offenen Kanonendeck. Massive eiserne Kanonen auf ihren hölzernen Lafetten, die jeweils mehrere Tonnen wogen, hatten sich losgerissen und lagen wie Spielzeug oder achtlos hingeworfenes Treibholz verstreut. Matrosen stolperten durch das Wrack. Manche halfen ihren Kameraden, die eingeklemmt oder verletzt waren. Die heiße, staubige Luft war erfüllt von gedämpftem, qualvollem Stöhnen und dem Geruch von Rauch und
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