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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz
Autoren: Clay und Susan Griffith
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Beschützend legte Adele ihrem Bruder einen Arm um die Schultern. Obwohl zwei einsame Vampire kaum eine Bedrohung für die schwer bewaffnete Ptolemy darstellten, hätte sie ihren Bruder dennoch lieber sicher unter Deck gewusst.
    Prinz Simon sah enttäuscht aus. »Kann ich mir die Vampire ansehen, Colonel Anhalt?«
    » Darf ich mir die Vampire ansehen«, korrigierte Prinzessin Adele den Jungen mit einem leichten Klaps auf die Schulter.
    Anhalt schwitzte in seiner ordentlich zugeknöpften Uniform. »Leider ist es bereits zu dunkel, um sie zu beobachten, Prinz Simon. Und die HMS Khartoum blockiert die Sicht.« Mit einer steifen Verbeugung vor dem wissbegierigen Prinzen deutete er auf eine mit zweiunddreißig Kanonen bestückte Fregatte, die vier Meilen an Backbord achteraus durch die sich zusammenballenden Wolken manövrierte. Die Cape Town, die Mandalay und die Giza refften oder setzten ihre Segel im Bemühen, den Signalen, zur Nacht einen schützenden Kordon um das Flaggschiff zu bilden, Folge zu leisten.
    »Außerdem hast du schon einmal Vampire gesehen«, argumentierte Adele.
    »Na und?« Angestrengt reckte der Junge den Hals, um zwischen den geblähten Segeln der Khartoum hindurch nach Osten zu spähen. »Das ist wahrscheinlich das Interessanteste, was auf dieser Reise passieren wird.«
    Adele bemerkte einen steinernen Ausdruck auf Colonel Anhalts Gesicht, als er in die Richtung der Vampire starrte. Er war ungewöhnlich hart und untypisch für den Mann.
    »Etwas nicht in Ordnung, Colonel?«, fragte sie, während sie ihm das Teleskop zurückreichte.
    Der Gurkha blinzelte überrascht, dann errötete er beschämt und musterte eingehend seine polierten Stiefel. »Nein, Hoheit. Es ist nichts.«
    »Ihre Miene sagt etwas anderes.« Sie trat näher zu ihm. »Sie können frei sprechen. Habe ich etwas falsch gemacht?«
    Jäh blickte der Colonel auf und starrte sie mit offenem Mund an. »Nein! Ich würde niemals … niemals …«
    »Immer mit der Ruhe, Colonel.« Adele lächelte herzlich und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Sie sahen einfach nur verärgert aus. Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Einen Augenblick lang rang er mit seinen Gedanken, dann sagte er: »Vergeben Sie mir meine Offenheit, Hoheit, aber ich halte es für unklug, Sie auf eine Reise so weit in den Norden zu schicken.«
    Als Adele nachdenklich nickte, fuhr Anhalt fort. »Und dazu auch noch beide Erben auf einmal. Ich weiß nicht, was sich der Hof dabei gedacht hat. Es ist unvernünftig.«
    »Politik ist nicht immer eine Frage der vernünftigsten Vorgehensweise. Ich bin froh, hier zu sein und unsere politischen Beziehungen verbessern zu können.« Tatsächlich war Adele außer sich vor Freude, aus Alexandria fortzukommen und sich an Bord dieses schwankenden Schiffes zu befinden. Die Alternative bestand darin, zu Hause zu bleiben und in der Eintönigkeit des Hofes zu versinken. Als Lord Kelvin, der Premierminister, ihr diese Reise vorgeschlagen hatte, hatte Adele die Gelegenheit freudig beim Schopf ergriffen. Doch sie konnte nicht nur als Argument anführen, dass sie das Abenteuer genoss. Diese Reise hatte einen Zweck, und zwar einen, der ihr neben der Möglichkeit, der Langeweile zu entfliehen, ebenfalls wichtig war. »Es ist zwingend erforderlich, dass die unabhängigen Stadtstaaten im Grenzgebiet, wie zum Beispiel Marseille, die zukünftige Kaiserin von Equatoria kennenlernen. Die Beziehungen, die ich auf dieser Reise knüpfen kann, könnten sich als sehr hilfreich erweisen. Ein Krieg steht bevor.«
    Dieser Tatsache waren sich Adele und Colonel Anhalt deutlich bewusst. In weniger als einem Jahr würde ein Konflikt seinen Anfang nehmen, der die Welt auf blutige Weise neu gestalten würde. Adele war keine Kriegstreiberin, doch sie wusste, dass der Kampf notwendig war.
    Es war einhundertfünfzig Jahre her, dass sich die Vampire erhoben hatten. Seit Anbeginn der Zeit hatten die Monster still inmitten der Menschen gelauert, doch in einer dunklen Winternacht im Jahre 1870 waren sie in Massen eingefallen, um die menschliche Gesellschaft zu unterjochen. Niemand wusste, warum sie gerade diesen Zeitpunkt für ihren Angriff gewählt hatten. Vielleicht waren sie von einem großen Anführer inspiriert worden. Vielleicht hatten sie eine gewisse Schwäche in der menschlichen Kultur gewittert, die zwischen Glauben und Wissenschaft schwankte. Zweifellos waren die Menschen nicht vorbereitet gewesen. Sie wurden völlig überrumpelt. Die meisten hatten bereits aufgehört,
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