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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz
Autoren: Clay und Susan Griffith
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stramm.
    »Tatsächlich?« Adele lächelte. »Beeindruckend. Aber wie dem auch sei, da Vampire angeblich über bessere Sehkraft verfügen als eine Katze, werden sie sicher den Großteil eines Regiments an Deck erkennen.«
    Salutierend hob Lieutenant Sayid einen Fingerknöchel an die Stirn und drehte sich abrupt um, um den Bootsmannsmaaten mit weniger nervöser Stimme Befehle zu erteilen. Dann nahm er die entsprechenden Signalflaggen und stopfte sie in Zylinder aus gehärtetem Guttapercha. Die etwa dreißig Zentimeter langen Zylinder wurden in glänzende Messingröhren gesteckt und mit Druckluft zu den Plattformen hoch oben in der Takelage des Schiffes geschossen.
    Prinzessin Adele sah zu, wie Gruppen von Matrosen über die Wanten und Webleinen zu dem riesigen, mit Gas gefüllten Lenkballon über ihnen aufenterten. Der Lenkballon war von einer Metallhülle aus engem Kreuzgitter umgeben, die ihn vor feindlichem Kanonenfeuer schützen sollte. An beiden Flanken und ebenso aus der obersten Längsstrebe des Stahlrahmens ragte jeweils eine Reihe von drei hölzernen Masten hervor. Segel wurden im Einklang mit dem Befüllen und Entleeren der vielen Kammern des Lenkballons gesetzt, um das massige Luftschiff anzutreiben und zu lenken. Es war ein kompliziertes Ballett, wundersam anzusehen.
    Simon warf seiner großen Schwester von der Seite her einen Blick zu. »Du wärst gerne mit ihnen da oben, nicht wahr?«
    »Sei nicht albern …«, setzte Adele überrumpelt an, dann verstummte sie kurz und antwortete ehrlich. »Ja. Du doch auch.«
    Der Junge lachte und nickte heftig, dabei reckte er den Hals, um einen Blick auf die furchtlosen Matrosen zu erhaschen. Adele legte ihrem Bruder den Arm um die Schultern und folgte seinem Blick nach oben. Dabei verspürte sie das mächtige Verlangen, neben den Matrosen die schwankenden Taue hinaufzuklettern und den schwindelerregend hoch über dem Luftschiff schwankenden Großmast zu erklimmen, um die Wolken auf dem Gesicht zu spüren. Sie beneidete diese einfachen Männer, die rufend, lachend und sogar singend in den windumtosten Masttopps herumturnten, wobei nur ihr sicherer Griff sie vor einem Sturz und dem sicheren Tod bewahrte.
    Auf dem stürmischen Achterdeck unterbrach Lieutenant Sayid ihre Gedanken, indem er höflich den Rand seiner Mütze berührte. »Hoheit, wenn Sie bitte hierherüber zwischen die Geschütze treten würden. Es wäre mir ein Gräuel, wenn Sie oder der Prinz von einem unvorsichtigen, herunterstürzenden Luftschiffer getroffen würden.«
    Sofort pflanzte Simon die Beine in den Boden und starrte zu den schwellenden Segeln hinauf, wodurch Adele dazu gezwungen war, seine steife Gestalt zur Reling zu zerren. Sie wollte noch etwas zu dem jungen Offizier sagen, doch er war bereits wieder mit seinen Pflichten beschäftigt. Mit einem tiefen Seufzer lehnte sie sich an das harte Mahagonischanzkleid, damit zufrieden, ihren rastlosen Bruder in der sich verdichtenden Dunkelheit im Auge zu behalten.
    Eine Zofe erschien von unten mit Adeles schwerem Cape und einem Mantel für Simon. Das Wetter war zu warm für einen Umhang und Adele hätte sich am liebsten geweigert, doch die Zofe befolgte nur ihre Befehle. Wenn das arme Mädchen unter Deck zurückkehrte und das Cape immer noch bei sich trug, würde das eine Krise auslösen, die Adeles gesamte Dienerschaft beinträchtigen konnte. Die Zofe informierte Adele zuversichtlich darüber, dass das Abendessen in genau zwanzig Minuten serviert würde. Dann, auf ihrem Weg zurück nach unten, wechselte die Dienerin leichte, muntere Worte mit dem gut aussehenden Lieutenant Sayid. Adele beobachtete sie dabei, fasziniert von der Mischung aus Zurückhaltung und Kühnheit. Eine junge Frau, ein schneidiger Offizier. Welch bezaubernde Einfachheit.
    Plötzlich aufblitzendes Mondlicht spiegelte sich in dem auffälligen Diamantring an Adeles linker Hand und erinnerte sie daran, dass ihre Hochzeit kaum mehr einen Monat in der Zukunft lag. Es war weniger eine Hochzeit als vielmehr der Startschuss für den Krieg, das Zeichen, dass Equatoria und die Amerikanische Republik vereint waren. All das Leinen, das Porzellan und die Kriegsschiffe würden zum selben Haushalt gehören. Adele dachte an das wunderschöne, goldene Medaillon, in dem sich ein Bild ihres Verlobten, Senator Clark, befand. Kriegsheld. Vampirtöter. Spross eines großen amerikanischen Hauses. Unbestreitbar gut aussehend. Er besaß die freimütige Forschheit eines Amerikaners, die sie unter anderen
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