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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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Zielscheibe auf die Brust?«
    Er runzelte die Stirn. »Nur Dressurreiter lesen den Dressurteil. Und auch nur, um zu sehen, ob ihr Name bei den Prüfungsergebnissen auftaucht.«
    »Tausende denken jetzt, ich sei Privatdetektivin.«
    »Was sollte ich ihm denn sonst sagen? Die Wahrheit?« Das klang, als hielte er es für die widerlichste Möglichkeit. Dann wurde mir klar, dass das wahrscheinlich zutraf.
    »Wie wär’s mit ›kein Kommentar‹?«
    »Hört sich nicht gerade interessant an.«
    Ich zeigte auf Molly Seabright. »Das kleine Mädchen ist hergekommen, um mich zu engagieren. Sie denkt, ich könnte ihr helfen, ihre Schwester zu finden.«
    »Vielleicht kannst du das ja.«
    Ich weigerte mich, ihn auf das Naheliegendste hinzuweisen: dass ich mir nicht mal selbst helfen konnte.
    Sean hob mit lässiger Gleichgültigkeit die Schulter und gab mir die Zeitschrift zurück. »Was hast du denn sonst zu tun?«
    Irina kam aus dem Stall, führte Oliver heraus – groß, elegant und wunderschön, die Pferdeversion von Sean. Sean ließ mich stehen und ging zu seinem Aufsitzbock.
    Molly Seabright saß mit im Schoß gefalteten Händen auf der Parkbank. Ich drehte mich um und ging zum Stall, hoffte, sie würde einfach verschwinden. D’Artagnons Zaumzeug hing an einem in die Decke eingelassenen vierzinkigen Haken neben einem antiken Mahagonischrank, in dem das Lederputzzeug aufbewahrt wurde. Ich nahm einen kleinen feuchten Schwamm vom Arbeitstisch, rieb damit über ein Stück Glyzerinseife und begann das Zaumzeug zu putzen, wobei ich versuchte, mich ganz auf die damit verbundenen Bewegungen zu konzentrieren.
    »Sie sind sehr unhöflich.«
    Ich konnte sie aus den Augenwinkeln sehen, wie sie da stand – ganze ein Meter fünfzig, so hoch aufgerichtet wie möglich, ihr Mund ein zusammengepresster kleiner Knoten.
    »Ja, bin ich. Und weißt du was? Es ist mir egal.«
    »Sie werden mir nicht helfen.«
    »Ich kann nicht. Ich bin die Falsche. Wenn deine Schwester vermisst wird, sollten deine Eltern sich an die Polizei wenden.«
    »Ich war im Büro des Sheriffs. Die wollten mir auch nicht helfen.«
    » Du warst da? Was ist mit deinen Eltern? Ist es ihnen gleichgültig, dass deine Schwester vermisst wird?«
    Zum ersten Mal schien Molly Seabright zu zögern. »Das ist kompliziert.«
    »Was ist daran kompliziert? Entweder wird sie vermisst oder nicht.«
    »Erin wohnt nicht bei uns.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Achtzehn. Sie versteht sich nicht mit unseren Eltern.«
    »Öfter mal was Neues.«
    »Sie ist nicht schlecht oder so was«, erwiderte Molly abwehrend. »Sie nimmt keine Drogen oder so ’n Zeug. Sie hat nur ihre eigene Meinung, mehr nicht. Und ihre Meinung ist nicht die Meinung von Bruce …«
    »Wer ist Bruce?«
    »Unser Stiefvater. Mom stellt sich immer auf seine Seite, egal, wie bescheuert er sich verhält. Das macht Erin wütend, also ist sie ausgezogen.«
    »Erin ist demnach volljährig, lebt woanders, kann machen, was immer sie will«, stellte ich fest. »Hat sie einen Freund?«
    Molly schüttelte den Kopf, wich aber meinem Blick aus. Sie war sich ihrer Antwort nicht so sicher oder dachte vielleicht, eine Lüge wäre zweckdienlicher.
    »Wie kommst du darauf, dass sie verschwunden ist?«
    »Sie sollte mich Montagmorgen abholen. Das ist ihr freier Tag. Sie arbeitet als Pferdepflegerin für Don Jade auf dem Turniergelände. Er trainiert Springpferde. Ich hatte keine Schule. Wir wollten an den Strand fahren, aber sie ist nicht gekommen und hat mich auch nicht angerufen. Ich hab sie angerufen und eine Nachricht auf ihrem Handy hinterlassen, und sie hat nicht zurückgerufen.«
    »Wahrscheinlich hat sie zu tun«, sagte ich und fuhr mit dem Schwamm über den Zügel. »Pferdepfleger arbeiten schwer.«
    Noch während ich das sagte, sah ich Irina lässig rauchend auf dem Aufsitzbock hocken, das Gesicht der Sonne zugewandt. Na ja, manche Pferdepfleger.
    »Sie hätte mich bestimmt angerufen«, beharrte Molly. »Ich bin am nächsten Tag auf das Turniergelände gegangen – gestern. Ein Mann aus Don Jades Stall sagte mir, Erin würde da nicht mehr arbeiten.«
    Pferdepfleger kündigen. Pferdepfleger werden gefeuert. Pferdepfleger beschließen eines Tages, Floristen zu werden, und entscheiden am nächsten Tag, dass sie lieber Gehirnchirurgen wären. Andererseits gibt es Trainer mit dem Ruf von Sklaventreibern, temperamentvolle Primadonnen, die Pferdepfleger verbrauchen wie Wegwerfrasierer. Ich habe Trainer gekannt, die verlangten, dass der
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