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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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begegnet bin, hatten ebenfalls mit Pferden zu tun. Menschen, die logen, betrogen, stahlen und ihre eigene Mutter für einen Penny verkauft hätten, wenn es sie weitergebracht hätte. Menschen, die einem ins Gesicht grinsen, einem mit der einen Hand auf die Schulter klopfen und mit der anderen das Messer in den Rücken stoßen.
    Nach dem, was Irina mir erzählte, gehörte Don Jade zur zweiten Kategorie.
    Sonntagmorgen – der Tag, bevor Erin Seabright die Verabredung mit ihrer kleinen Schwester nicht eingehalten hatte – war ein zum Training bei Don Jade untergebrachtes Springpferd tot in seiner Box aufgefunden worden, angeblich einem versehentlichen Stromschlag zum Opfer gefallen. Nur gab es, dem allgemeinen Klatsch zufolge, keine versehentlichen Unfälle, wenn es um Don Jade ging.
    Im Internet versuchte ich, bei horsedaily.com und anderen Pferdewebsites so viel wie möglich über Jade herauszubekommen. Aber ich wollte die ganze, unzensierte Geschichte und wusste genau, wen ich anrufen musste.
    Wenn Don Jade zu meiner zweiten Kategorie von Pferdemenschen gehörte, so gehörte Dr. Dean Soren absolut zur ersten. Ich kannte Dr. Dean schon mein ganzes Leben lang. In der Pferdewelt geschah nichts, von dem Dean Soren nichts wusste. Er hatte vor Ewigkeiten als Veterinär auf der Rennbahn begonnen und war dann irgendwann zu Turnierpferden übergegangen. Jeder in diesem Geschäft kannte und respektierte Dr. Dean.
    Er hatte sich vor mehreren Jahren aus seiner Veterinärpraxis zurückgezogen und verbrachte jetzt seine Tage damit, in einem Café Hof zu halten, das das soziale Zentrum der großen Reitanlage war, die er in der Nähe von Pierson besaß. Die Frau, die das Café führte, nahm das Telefon ab. Ich sagte ihr, wer ich war, fragte nach Dr. Dean und hörte dann, wie sie ihm quer durch das Café meinen Namen zubrüllte.
    Dr. Dean brüllte zurück: »Was zum Teufel will sie von mir?«
    »Sagen Sie ihm, ich möchte ihm ein paar Fragen stellen.«
    Die Frau brüllte auch das.
    »Dann soll sie verdammt noch mal herkommen und sie mir persönlich stellen«, brüllte er zurück. »Oder kommt sie sich zu wichtig vor, einen alten Mann zu besuchen?«
    Typisch Dr. Dean. Die Worte charmant und freundlich kamen in seinem Vokabular nicht vor, aber er war einer der besten Menschen, die ich je gekannt habe. Was ihm an sanfteren Elementen fehlte, machte er durch Integrität und Aufrichtigkeit wett.
    Ich wollte nicht zu ihm. Don Jade interessierte mich nur wegen dem, was Irina über ihn erzählt hatte. Ich war neugierig, mehr nicht. Neugier reichte nicht, um in mir den Wunsch zu wecken, mit anderen Leuten in Kontakt zu treten. Ich wollte meinen Zufluchtsort nicht verlassen, besonders nicht angesichts des Fotos in Sidelines .
    Ich ließ das Pferd im Schritt gehen und kaute an den kläglichen Resten meiner Fingernägel.
    Dean Soren kannte mich fast mein ganzes Leben lang. In dem Winter, als ich zwölf war, durfte ich einmal pro Woche mit ihm seine Runden machen und seine Assistentin spielen. Meine Mutter und ich wohnten den Winter über in einem Haus im Poloclub, und ich hatte einen Privatlehrer, damit ich jeden Tag mit meinem Trainer reiten konnte und nicht durch einen Schulstundenplan in meinem Reitstundenplan unterbrochen wurde. Jeden Montag – der freie Tag des Reiters – bestach ich meinen Privatlehrer und schlich mich mit Dr. Dean davon, um sein Instrumententablett zu halten und die Bandagen wegzuräumen. Mein eigener Vater hatte niemals so viel Zeit mit mir verbracht. Nie hatte ich mich so wichtig gefühlt.
    Die Erinnerungen an jenen Winter berührten mich jetzt an einem besonders empfindlichen Punkt. Ich wusste nicht mehr, wann ich mich zum letzten Mal wichtig gefühlt hatte. Ich wusste kaum noch, wann ich das zum letzten Mal gewollt hatte. Aber ich erinnerte mich sehr genau daran, neben Dr. Dean in seinem gewaltigen Lincoln Towncar zu sitzen, den er als fahrende Tierarztpraxis eingerichtet hatte.
    Vielleicht war es diese Erinnerung, die mich dazu brachte, nach meinen Autoschlüsseln zu greifen und loszufahren.
    Auf dem herrlichen Grundstück, das Dr. Dean gehörte, stand auf der einen Seite ein großer Stall für die Jagd- und Springreiter, auf der anderen einer für die Dressurreiter. Die Büros, Dr. Deans persönlicher Stall und das Café waren alle in einem Gebäude zwischen den beiden Ställen untergebracht.
    Das Café befand sich unter freiem Himmel, war einfach eingerichtet und hatte eine Tiki-Bar. Dr. Dean saß am
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