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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz
Autoren: M Bomm
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Gestalt an, während die anderen Männer im Raum, einschließlich Häberle, regungslos auf eine Antwort warteten.
    »Was tut der denn da?« Der Ankömmling, dessen russischer Akzent leicht anklang, deutete auf Häberle. »Seid ihr denn vollkommen durchgeknallt?«, rief er plötzlich. »Ein Bulle. Das ist ein Bulle.«
    »Halt die Schnauze«, bellte ihn Simbach an. »Das ist Herr Häberle, ein Kommissar aus Geislingen.« Der junge Mann schob Simbach beiseite und trat energisch an den Tisch. »Suchen Sie mich? Ja? Sie suchen mich?«, tobte er los. Für Häberle bestand nicht mehr der geringste Zweifel. Es war Sergije.
    »Sie sollten sich beruhigen«, versuchte es der Kriminalist auf die sanfte Tour.
    »Beruhigen?«, äffte Sergije zurück, während ihn Simbach daran hindern wollte, näher zu den anderen heranzukommen. Oehme, Kissling und der schweigende Landowski hielten sich eingeschüchtert zurück. »Gleich wird er anfangen, uns den Mord an Ihrem Bruder anzuhängen«, wetterte er weiter und sprach Simbach direkt an.
    »Das nicht«, erklärte Häberle knapp und bemerkte, wie er damit Sergije verunsicherte. »Nehmen Sie doch Platz.«
    Sergije winkte ab und lehnte sich an die jetzt eingerastete Tür. Simbach blieb seitlich von ihm stehen.
    »Wir haben in Ruhe die Lage besprochen«, machte der Kriminalist weiter, dem das Auftreten Sergijes überhaupt nicht gefiel. Der Kerl trug eine beige Jacke. Möglicherweise steckte darin dasselbe, was Häberle in der Hosentasche hatte.
    »Wenn überhaupt, dann haben Sie im Auftrag gehandelt«, stellte Häberle emotionslos fest. Auch für ihn war es in solchen Situationen nicht einfach, die innere Unruhe zu verbergen. Schließlich ging es hier nicht nur um die Sache, sondern – wenn es hart auf hart ging – auch um ihn persönlich. Ein Kriminalist konnte nie seinen Job von seiner Person trennen. Er war die Kriminalpolizei. Sonst niemand.
    »Im Auftrag – so?«, höhnte Sergije. »Aber mir wollen Sie es anhängen.«
    »Anhängen überhaupt nicht«, stellte Häberle klar und hatte das Gefühl, dass er und die anderen im Moment nur Zeit zu gewinnen schienen. Zeit wofür? Häberle fuhr mit der linken Hand wie beiläufig in die Hosentasche. »Es gibt ein paar Indizien, die sich nicht abstreiten lassen. Auch nicht, falls Sie mit dem Gedanken spielen sollten, mich hier festzuhalten«, erklärte der Chefermittler. »Beim Sprung aus dem Fenster des Dekanatsamts haben Sie ein Stück eines Kugelschreibers verloren. Ein S konnte man noch lesen. Vermutlich wird es Simbach heißen – ein Werbegeschenk von der Getränkehandlung.« Er hatte sich jetzt das Handy gegriffen, zählte mit den Fingern die Tastenreihe ab und war sich schnell sicher, die ›Fünf‹ gefunden zu haben. Er drückte und hoffte, mit der programmierten Kurzwahl den Einsatz auszulösen. Falls es klappte, konnte die Einsatzleitung möglicherweise sogar das Gespräch mithören.
    »Sie fantasieren sich etwas zusammen«, gab sich Sergije selbstbewusst. »Kugelschreiber dieser Sorte gibt es wahrscheinlich tausende.« Auch Simbach nickte.
    »Mag sein«, blieb Häberle hartnäckig. »Ich hab ja gesagt – es sind Indizien. Und vielleicht erhoffen Sie sich auch Unterstützung aus Ihren Kreisen.«
    »Ich sag nur eines«, grinste er und zog eine Grimasse. »Holzapfel lässt grüßen, Herr Kommissar.« Während er dies sagte, griff Sergije in seine Jacke und brachte eine Waffe zum Vorschein. Eine Pistole, wie Häberle im spärlichen Kerzenlicht erkannte. Er spürte schlagartig eine Blutleere. Wie abgestorben fühlten sich seine Gliedmaßen an. Der Lauf war auf ihn gerichtet.
    »Ist das eine Tokarev?«, fragte er automatisch. Kaum hatte er es ausgesprochen, war er selbst über sich erschrocken.
    Sergije grinste gefährlich. »Um es genau zu sagen: Es ist die, die Korfus, das Arschloch, knapp verfehlt hat.«
    Häberle war von der Aggressivität dieses Mannes überrascht. Er hatte ihn in der Getränkehandlung als eher zurückhaltend kennengelernt.
     
    Die Dekanin hatte zum Telefon gegriffen und ohne zu zögern ›110‹ gewählt. Der Notruf ging in die Kreisstadt Göppingen, wo sie kurz und knapp dem Polizeiführer vom Dienst darlegte, dass der in Bischofswerda weilende Kommissar Häberle möglicherweise in größter Gefahr sei. Die Rückfragen des Beamten ließen vermuten, dass er der Stasi- und Agentengeschichte nicht so recht traute. »Hören Sie mal zu«, wurde die Dekanin energisch. »Sie sollten nicht so lange rumfragen, sondern sich
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