Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
Mutter, die zusammengesunken auf dem Beifahrersitz saß. »Mommy! Mommy, rede mit mir!«
    Das Lenkrad ruckelte in ihren Händen, sie schrie erschrocken auf und richtete die Augen wieder auf die Straße, riss das Lenkrad in letzter Sekunde herum, bevor der BMW über die steile Felsböschung schießen konnte. Ihre Mutter war so blass, dass sie im Dämmerlicht fast leuchtete.
    »Mommy, du darfst nicht sterben«, sagte Leah immer wieder wie ein Mantra. »Du darfst nicht sterben. Du darfst nicht sterben. Du darfst nicht sterben.«
    Als ob das etwas helfen würde. Als könnte sie es verhindern, wenn sie es nur oft genug sagte. Sie schalt sich selbst dafür, wie dumm sie war.
    Ihre Mutter streckte die linke Hand nach ihr aus. Das erste Lebenszeichen seit Stunden, wie es Leah schien.
    Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, weil sie nicht wusste, wo sie waren. Sie hatte nur gewusst, dass sie den BMW wenden und immer hügelabwärts fahren musste. Der holprige Weg hatte in eine schmale gepflasterte Straße gemündet. Die schmale Straße endete schließlich bei einem Stoppschild und einer breiteren Straße.
    Und dann sah sie in der Ferne Lichter und grob gezimmerte Totempfähle am Straßenrand und eine Zapfsäule und ein Schild, auf dem »Canyon Café« stand.

62
    Es war Leah Lawton, die ihnen erzählte, was geschehen war. Leah, noch nicht einmal sechzehn Jahre alt, immer noch mehr Mädchen als Frau, die ihre verletzte Mutter in das Auto gesetzt, aus der Einöde herausgefunden und Hilfe gesucht hatte.
    Mendez rief auf dem Weg ins Krankenhaus Anne Leone an, und sie traf fünf Minuten nach dem Krankenwagen in der Notaufnahme ein. Anne hatte sich Leahs angenommen und dafür gesorgt, dass ihre seelischen und körperlichen Wunden versorgt wurden. Die Polizei musste warten.
    Erst nachdem das Mädchen verarztet worden war und im Bett lag, ließ Anne Mendez zu ihr und erlaubte ihm eine einzige Frage. Selbst dabei saß sie auf dem Bett und hatte schützend einen Arm um die Schultern von Leah gelegt, um ihr Trost und Beistand zu geben, während sie ihre Geschichte erzählte.
    »Du bist ein sehr tapferes Mädchen, Leah«, sagte er, als sie fertig war.
    »Ich will aber nicht tapfer sein«, flüsterte sie, und Tränen traten in ihre Augen, während Anne sie beruhigend an sich drückte. »Ich will meine Mom.«
    Während Mendez und Tanner die Leichen von Roland Ballencoa und Michael Craig Houston in den Hügeln westlich der Stadt suchten, lag Lauren Lawton noch immer im OP -Saal.
    Die Kojoten waren ihnen zuvorgekommen. Als die Tatortermittler eintrafen, war von den Leichen, umkreist von Fliegen und Raubvögeln, nur mehr die Hälfte übrig. Mendez fand, dass es das angemessene Ende für zwei Männer war, die sich selbst wie Tiere verhalten hatten. Die Natur sprach schneller und gerechter ein Urteil als jedes menschliche Gericht, dem sie Ballencoa und seinen Partner hätten überstellen können.
    Als er und Tanner die Untersuchung des Tatorts in den Bergen und in Ballencoas Haus in der Stadt abschlossen, waren sie seit fast vierzig Stunden auf den Beinen, ohne geschlafen, geduscht oder vernünftig gegessen zu haben.
    »Soll ich Sie in ein Hotel bringen?«, fragte er, als sie Ballencoas Haus verließen.
    Sie verzog den Mund zu einem sarkastischen Lächeln. »Normalerweise gehe ich erst nach dem zweiten oder dritten Fall auf solche schlüpfrigen Angebote ein.«
    Mendez brachte ein müdes Lächeln zustande. »Also ins Krankenhaus.«
    Sie nickte. Schlafen, essen, duschen, das alles konnte warten. Lauren Lawton hatte den OP verlassen, sie war bei Bewusstsein und konnte sprechen.
    Im Krankenhaus war abendliche Ruhe eingekehrt. Das Licht war heruntergedimmt worden. Von dem hektischen Treiben tagsüber war nichts mehr zu spüren.
    Man hatte die beiden Betten im Zimmer der Lawtons zusammengeschoben, und Leah schlief in dem am Fenster stehenden einen traumlosen, von Medikamenten herbeigeführten, tiefen Schlaf.
    Lauren war wach. Ihre linke Hand, in der eine Infusionsnadel steckte, lag auf dem Arm ihrer Tochter, als wollte sie sich versichern, dass ihr Kind tatsächlich da war, dass es lebte und in Sicherheit war. Und dass sie selbst lebte und in Sicherheit war.
    Ihr Kopf fühlte sich riesig und schwer wie eine Bowlingkugel an. Sie atmete flach. Trotz der Schmerzmittel hatte sie das Gefühl, als würde das Messer noch zwischen ihren Schulterblättern stecken, und jedes Mal wenn sich ihr Brustkorb beim Atmen zusammenzog und weitete, glaubte sie, ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher