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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte
Autoren: Tami Hoag
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Er hatte sie von der Straße weg entführt. Er hatte sie an einen Ort wie diesen gebracht und ihr auf die denkbar brutalste und widerwärtigste Weise die Unschuld geraubt.
    Lauren war nicht da gewesen, um ihn daran zu hindern.
    Aber jetzt war sie da.
    Geradezu blind vor Besessenheit, ihrer einen Tochter Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hatte sie ihre andere Tochter in die gleiche grauenvolle Situation gebracht, in der ihr das gleiche grauenvolle Schicksal bevorstand.
    Nein.
    Nein.
    NEIN !
    NEIN !!!!
    Lauren hätte nicht sagen können, ob der Schrei aus ihrer Kehle kam oder nur in ihrem Kopf widerhallte. Aber es war egal. Er kam aus ihrem tiefsten Inneren und verlieh ihr neue Kraft.
    Sie griff nach dem Hammer und erhob sich taumelnd.
    Nicht Leah , dachte sie. Nicht noch einmal. Nie wieder.
    Sie hob den Hammer mit beiden Händen über den Kopf.
    Er war völlig mit Leah beschäftigt. Als er sich umdrehte, war es zu spät.
    Mit dem Klauenende voran, ließ Lauren den Hammer auf ihn niedersausen, legte in den Schlag alle Kraft, die sie aufbringen konnte.
    Die Klaue traf Ballencoa zwischen Schläfe und Ohr, drang durch Haut und Knochen und Gehirnmasse. Durch die Wucht des Aufpralls wurde er zur Seite geworfen, weg von Leah, weg von dem Wagen. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck, der eine Mischung aus Erstaunen und Entsetzen war.
    Seine Beine gaben unter ihm nach, er breitete die Arme aus und ruderte wie blind in der Luft herum, um den Sturz aufzufangen. Der Hammer steckte noch immer in seinem Schädel, als er zu Boden ging.
    Sein Blick war wild, verwirrt, und aus seinem Mund drangen unverständliche, dumpfe Laute. Sein Körper verfiel in Zuckungen, als die Schaltkreise in seinem Gehirn einer nach dem anderen kurzschlossen und versagten.
    Lauren lehnte sich gegen den Kastenwagen und sah zu, wie er starb, und gleichzeitig spürte sie, wie mit jedem Tropfen Blut aus der Wunde in ihrem Rücken auch das Leben aus ihr wich.
    »Mommy!«, schrie Leah hysterisch, stürzte zu ihr und klammerte sich an sie.
    Lauren legte die Arme um ihre Tochter und drückte sie, so fest sie konnte, an sich.
    »Es ist vorbei, Kleines«, flüsterte sie immer wieder. »Es ist vorbei. Es ist vorbei.«
    Es ist vorbei.
    Endlich.

61
    Angelockt wie Fliegen von Aas, versammelten sich bereits die Presseleute in der Nähe des Hauses, aus dem Lauren und ihre Tochter entführt worden waren.
    Mendez hatte die Old Mission Road von zwei Streifenwagen und vier Deputys absperren lassen, um die Reporter auf Distanz zu halten.
    Es wurde langsam dunkel. Die Sonne war hinter der Hügelkette im Westen verschwunden und hatte das Tal in Dämmerlicht getaucht. In Santa Barbara saßen jetzt die Touristen am Kai und sahen zu, wie sie als großer orangefarbener Ball über dem Horizont schwebte.
    Der Hubschrauber war gestartet, um die Suche in den Hügeln westlich der Stadt fortzusetzen. Sie hatten den Suchscheinwerfer eingeschaltet, aber Mendez kannte das Gelände und wusste, dass sie einen aussichtslosen Kampf gegen die Schatten in den steilen Canyons führten.
    Zum ersten Mal, seit er mit Hicks und Tanner hier angekommen war, war er nicht in Bewegung, sondern lehnte am Auto und versuchte, zur Ruhe zu kommen und einen klaren Gedanken zu fassen, während Dixon draußen auf der Straße mit den Medienvertretern sprach.
    Tanner stellte sich neben ihn. Sie wirkte genauso besorgt und niedergedrückt, wie ihm zumute war.
    »Ich hoffe, dass sie ihm eine Kugel an einer Stelle verpasst hat, wo es wehtut«, murmelte sie.
    »Ich hoffe, dass er daran stirbt.«
    »Wir haben sie im Stich gelassen«, sagte sie, und ihre Stimme hörte sich zittrig an. »Verdammt noch mal.«
    »Wenn sie uns doch bloß ein bisschen mehr Zeit gelassen hätte«, sagte Mendez, und ihm wurde bewusst, dass er von Lauren Lawton in der Vergangenheitsform sprach.
    Tanner schüttelte den Kopf. »Sie musste es tun. Sie hatte nie vor, es uns zu überlassen. Sie musste ihn zum Handeln zwingen. Wir lieferten ihr lediglich die Rechtfertigung, die sie brauchte, um es zu tun.«
    Leah war noch nie in ihrem Leben so schnell gefahren. Der BMW ihrer Mutter war zu groß für sie und zu schwer, und er hatte zu viele PS . Leah musste daran denken, wie sie das erste Mal auf einem der Pferde ihres Vaters gesessen hatte, nachdem sie vorher nur auf Ponys geritten war. Sie hatte furchtbare Angst gehabt. Jetzt hatte sie zehnmal so viel Angst. Eine Million Mal mehr Angst.
    »Mommy«, sagte sie laut und warf einen Blick zu ihrer
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