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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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von einem modernen Handy träumen.
– Schade um den Urlaub. Aber hilft nichts. Wie gesagt: Dienst ist Dienst.«
     
    *
     
    Am übernächsten Tag fuhr Kroll nach Palma in das Büro des Comisario.
Der präsentierte ihm die Ergebnisse der Spurensicherung und den Obduktionsbericht.
Bei dem Toten handelte es sich laut Personalausweis um einen deutschen Staatsbürger,
einen gewissen Ferdinand Graf zu Stolberg, wohnhaft in Eutin/Ostholstein. In seiner
Brieftasche schien nichts zu fehlen: Ausweise, Scheckkarten, ein Adressbüchlein
und eine beträchtliche Summe an Bargeld. Raubmord konnte weitgehend ausgeschlossen
werden.
    Der Tod erfolgte durch einen heftigen
Steinaufschlag am Hinterkopf. Den Zeitpunkt konnten die Spezialisten aufgrund der
Gehirnuntersuchungen mit einer Ungenauigkeit von etwa einer Stunde ziemlich genau
angeben. Es musste geschehen sein, kurz bevor Kroll seine Bergwanderung antrat.
In unmittelbarer Nähe des Fundorts fand man keinen Felsen, der als Stoßkante infrage
gekommen wäre. Wohl aber entdeckten die Spürhunde auf dem Gipfelplateau des Bau ç à einen
blutbefleckten Brocken, an dem Haare des Toten nachgewiesen wurden. Ein unglücklicher
Sturz von dort oben hätte schon zu einer tödlichen Verletzung geführt. Es war aber
auch möglich, dass der Felsbrocken dem Opfer mit höchster Kraft auf den Hinterkopf
geschlagen wurde. Den Schleifspuren zufolge musste jemand, falls diese Hypothese
stimmte, dann den leblosen Körper den Abhang hinuntergerollt und den Rucksack hinterhergeschickt
haben. Der Jägerhut wurde offenbar achtlos hinter das Gebüsch geworfen. Fingerabdrücke
oder sonstige Spuren gab es nicht.
    »Tja, lieber Kollege, für mich riecht
das nach einem Kapitalverbrechen, obwohl alle klassischen Indizien für einen Raubüberfall
fehlen. – Und Sie wären beinahe Zeuge geworden!«
    Der Comisario klopfte Kroll väterlich
auf die Schulter. Der sah seine Urlaubspläne endgültig davonschwimmen. Er kramte
seine zerbeulte Zigarettenschachtel aus der Hose. Als sein Kollege die ›krummen
Hunde‹ sah, bot er ihm aus Mitleid eine seiner eigenen an und ließ ein Tischfeuerzeug
aufschnappen:
    »Mein Gott, wo haben Sie die denn
her? Ist das Schmugglerware aus einem Lkw-Reifen oder haben die auch einen Sturz
vom Felsengipfel mitgemacht?«
    Kroll achtete nicht auf den spöttischen
Unterton. Er war dankbar, endlich wieder einmal eine richtige Zigarette, mit einem
richtigen Feuerzeug angezündet, zu rauchen.
    »In seinem Rucksack fanden wir zwei
Ansichtskarten. Der Tote war wohl nicht mehr dazu gekommen, sie abzuschicken, obwohl
bereits Briefmarken darauf klebten. Eine an eine gewisse Barbara von Bülow in Eutin-Uklei.
Auf den ersten Blick belanglose Urlaubsgrüße. Aber da stand noch ein Nachsatz, den
wir im Auge behalten sollten: ›Habe was Ideales für unser Projekt gefunden.‹ Die
andere an einen gewissen Friedrich Georg Herzog von Altenburg auf Gut Altenburg.
Nur mit der Bemerkung: ›Alles klar. Es kann losgehen.‹ – Ich weiß nicht, was der
Graf damit meinte, aber die deutschen Kollegen sollten sich dahinterklemmen.
    Übrigens hat uns Ihr Hinweis auf
den gelben Mietwagen weitergeholfen. Er war auf einen gefälschten Namen gebucht,
aber nach Recherchen in der Mietwagenzentrale und in Abgleich mit den Listen der
Flugzeugpassagiere konnten wir den Burschen eindeutig zuordnen. Es handelt sich
um einen in einschlägigen Kreisen wohlbekannten Auftragskiller einer russischen
Mafiabande, wohnhaft in Hamburg, den Interpol schon lange im Visier hat, dem man
aber bislang nichts nachweisen konnte. – Nun, das hat sich jetzt dank Ihrer Beobachtungsgabe
geändert. Auf den Mann ist ein internationaler Fahndungsbefehl rausgegangen. – Pech
für den Kerl, dass er ausgerechnet in der abgelegensten Gegend unserer Insel einem
deutschen Kriminalbullen über den Weg laufen musste! – Bueno, wir hätten zwar einen
Täter, aber weder ein Motiv und erst recht keinen Auftraggeber. Der wird ja allem
Anschein nach in Deutschland zu suchen sein.«
    Je länger der Comisario redete,
umso mehr sackte Kroll in sich zusammen. Er spürte Unheil auf sich zukommen.
    »Eutin – wo liegt das? Kennen Sie
den Ort?«, fragte der Comisario.
    »Nun ja«, druckste der Deutsche,
»Sie werden es nicht glauben, aber das liegt in der Nähe meiner Heimatstadt Lübeck
und gehört in meinen Zuständigkeitsbereich. Wenn sich der Fall als Mord herausstellen
sollte, muss ich wohl oder übel Ihre Arbeit weiterführen.«
    »Na prima, dann kann ich
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