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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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ja mal
eine Dienstreise ins schöne Deutschland antreten. Vorher muss aber der örtliche
Untersuchungsrichter entscheiden, ob die Unfalltheorie zugunsten einer Mordtheorie
aufgegeben wird.«
    Wenige Tage später war es offiziell:
Die spanischen Behörden ersuchten die deutschen, namentlich die Regionale Kriminalbehörde
Lübeck, um Amtshilfe.
    Also doch: Anfangsverdacht auf Mord.

Kapitel 2: Michas E-Diary – 1. Teil
     
    Eins – zwei – … eins – zwei … Hallo! – Mist, warum nimmt das verdammte
Ding nicht auf? – Eins – zwei – drei … Aha, jetzt schlägt die Anzeige aus. Da muss
man wohl erst bis drei zählen, damit es anspringt. Steht aber nicht in der Gebrauchsanweisung!
    Egal. Jetzt geht’s los. – Also.
Hier spricht Micha. Eigentlich Michaela, aber alle rufen mich nur Micha. Und mein
neues Walkman-Handy nenne ich Ela. Denn es soll meine – wie sagt doch Papa immer
zu Mama? – meine bessere Hälfte sein. Heute ist mein 14. Geburtstag, und jetzt,
wo ich groß geworden bin, kann ich schließlich nicht mehr in ein Poesiealbum schreiben.
    Das ist kindisch. Außerdem hasse
ich das Schreiben. Wegen meiner pummeligen kleinen Finger. So wie die von Onkel
Michel. Nur die sind nicht nur dick, sondern auch noch lang und knorrig. Das kommt
wohl davon, dass er immer seine Leichen anfassen muss.
    Wahrscheinlich habe ich sie von
ihm geerbt. Aber er ist ein Mann. Da darf man mal hässlich aussehen. Ich bin schließlich
eine Frau. Und da ist das schlecht. Abends ziehe ich mir heimlich die Finger lang.
Ein bisschen hat’s schon geholfen. Aber so schön wie bei meiner besten Freundin
Ricki sind sie nicht. Wie ich die beneide!
    Dafür hat sie noch kein so geiles
Handy, mit dem man nicht nur Fotos schießen oder Musik hören, sondern auch stundenlang
Sprache aufnehmen kann. Dann werde ich das alles zu Hause auf meinem Notebook mit
einem Spracherkennungsprogramm umwandeln und es zusammen mit den Fotos als E-Book
ausbauen. Also gewissermaßen ein E-Diary.
    Onkel Michel hat es mir zum Geburtstag
geschenkt. Eigentlich wollte er mich und meine Freundinnen zu einer Schnitzeljagd
im Eutiner Schlosspark einladen. Aber dann habe ich ihm klargemacht, dass das ja
wohl nur was für kleine Kinder ist. Jetzt, wo ich erwachsen bin, wollte ich ihn
lieber auf seiner Verbrecherjagd begleiten. Schließlich war ich doch dabei, als
das auf Mallorca passierte. Und so sind wir beide gerade auf dem Weg von Lübeck
nach Eutin, wo er in diesem Fall ermitteln muss.
    Onkel Michel heißt eigentlich Michael
und ist ein hohes Tier in der Lübecker Kripo. Auch wenn er viel zu alt für mich
ist – er ist mit seinen 50 Jahren schließlich schon fast am Ende seines Lebens –,
so mag ich ihn sehr. Ich mag ihn, weil er immer mit offenen Schnürsenkeln rumläuft
und das nicht mal merkt. Und weil er nicht so streng ist wie Papa, der mir immer
vorhält, Handys und Laptops seien nichts für kleine Mädchen. Aber das ist typisch
für Eltern. Von ihren Kindern haben sie überhaupt keine Ahnung. Dabei gehe ich jetzt
schon in die siebente Klasse und weiß, worauf es im Leben ankommt.
    Bei Onkel Michel
ist das anders. Irgendwie ist er einer von uns. Er kickt auch gern mal Fußball mit
mir oder lädt mich zu Pommes ein. Nur den zerknitterten Mantel, in dem er ständig
rumläuft, könnte er mal austauschen. Und dann diese ekeligen zerdrückten Kippen,
die er ab und zu aus der Manteltasche kramt. Wenigstens raucht er sie nicht, weil
sein Feuerzeug nie funktioniert. Ich werde ihm zu Weihnachten ein neues schenken.
Das bin ich ihm schuldig, wo er mir so ein geiles Handy geschenkt hat.
    Ach ja, das kann man auch als Navi
benutzen. Mal sehn …
    »Onkel Michel, wir sind jetzt kurz
hinter Ahrensbök. Bei der nächsten Kreuzung musst du geradeaus weiterfahren, sonst
kommen wir linker Hand nach Bosau!«
    … Da bin ich früher, als ich noch
Kind war, mit Mama und Papa auf dem Fahrrad entlang des Plöner Sees gefahren. Zu
Ostern musste ich dann am Wegrand Eier suchen. Heute weiß ich, dass die Eltern die
Schokoeier einfach in einem unbeobachteten Moment im hohen Bogen nach vorne werfen,
und die naiven Kids mit der Nase darauf stoßen. An den Ostertagen machten das Massen
von Landausflüglern und nicht selten entdeckte ich auch ein fremdes Ei, was dann
regelmäßig zu Streitigkeiten mit anderen Kindern führte.
    Komisch, dass ich damals an so was
geglaubt hab! Übrigens hat der Landpächter jetzt ein großes Schild anbringen lassen:
›Ostereier suchen verboten!‹
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