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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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überhaupt
keiner aufpasst. Bestimmt wird sie meine SMS unter der Bank lesen können. – So,
noch ein Schnappschuss vom Schloss, den füge ich ihr bei …
    ›Hi Ricki. Bin in Eutin vorm Schloss.
Würde gern drin wohnen. Fühl mich wie eine Märchenprinzessin. Dann bräuchte ich
nicht zur Schule. Du als meine Hofdame. Hätten unseren eigenen Freischütz. Onkel
Michel sucht Verbrecher. Werde ihm helfen. Ist wichtiger als Mathe. G+K Micha …‹
    »So, Micha, wir sind da. Pack das
Handy jetzt weg. Wir haben eine Menge zu erledigen, da kannst du nicht immer mit
dem Ding rumspielen.«

Kapitel 3: Eutin – Utin
     
    Inspektor Kroll parkte seinen englischgrünen Mini
Cooper, das traditionelle Modell Baujahr 2000, direkt neben dem Schlosspark und
stellte den Motor ab. Die wichtigsten Recherchen konnte er von hier aus zu Fuß machen.
Er liebte seinen Mini mit der Holzarmatur, dem typischen weißen Doppelstreifen auf
der Motorhaube und den großen Nebelscheinwerfern an der Stoßstange. Als einzigen
neumodischen Luxus hatte er sich einen CD-Player samt Powerboxen einbauen lassen.
So konnte er in aller Ruhe seine Led-Zeppelin-CDs anhören. Aber nur, wenn er die
Musik lauter machte als den Auspufflärm.
    Eigentlich hätte er sich bei seinem
Gehalt auch so einen Mittelklassewagen leisten können wie sein Nachbar. Der fuhr
einen schwarzen Volvo, der Kroll jeden Morgen, wenn er zum Dienst fuhr, an den Leichenwagen
erinnerte, der Michas Opa vor zwei Jahren zu seiner letzten Reise abgeholt hatte.
    Passend zu seinem Auto lief der
geschäftige Nachbar stets in einem mausgrauen Anzug und einer unscheinbaren Krawatte
herum. Kroll kleidete sich lieber etwas legerer, in Turnschuhe, Jeans, ein ewig
junges Sweatshirt mit dem Aufdruck ›I have a dream‹ und einen zerknitterten grauen
Mantel, den er sich offenbar vom Titelhelden der Fernsehserie Columbo abgeguckt
hatte. Er liebte die Sendung, denn da wusste man gleich von Anfang an, wer der Mörder
war. Kroll war aufgefallen, dass der Täter stets die Person war, die Columbo als
Erste die Hand schüttelte. Schade, dass sein Job nicht auch so ablaufen konnte.
    Der Kriminalinspektor hatte kürzlich
sein Fünfzigstes vollendet. Das einst hippielange Haupthaar hatte einer Dreiviertelglatze
weichen müssen. Seine Mitarbeiter hielten sie für sein Erkennungszeichen und nannten
ihn hinter vorgehaltener Hand die Verbrecherkrolle. Krolle ist ein norddeutscher
Ausdruck für Locke. Keine Locke – kein Verbrecher. Sollte das eine Anspielung auf
die Tatsache sein, dass es dem Inspektor bisher nur selten gelang, einen Übeltäter
zu überführen?
    Kroll war im Grunde genommen eher
ein Romantiker als ein Mann der Tat. Und so hatten seine, von buschigen Brauen verdeckten,
tief liegenden Augen mehr den weichen Glanz eines Träumers als den harten Strahl
eines Superagenten. Er versuchte, das Verbrechen mit dem Herzen, weniger mit dem
Hirn aufzuklären. Das machte ihn für Außenstehende sympathisch.
    Sein Gesicht sah aus, als sei es
zu oft im Schleudergang gewaschen worden. Den Ansatz zum Doppelkinn konnte er auch
nicht mehr durch den ungebügelten, dunkelblauen Wollschal verdecken. Sein Zweifingerbart
erinnerte entfernt an Charlie Chaplin. Dazu passten allerdings nicht die gut gefütterten
Wangen, die, ebenso wie die auffälligen Augensäcke, den Gesetzen der Gravitation
folgend, nach unten strebten.
    Himmelaufwärts führten dagegen die
buschigen Augenbrauen, unter denen die kleinen, aber intensiv leuchtenden Augen
lagen. Sein Blick war das Jugendlichste an ihm. Wenn er mit jemandem sprach, funkelten
die Pupillen, als wäre er ein Maler, der in seinem Modell ein Motiv für ein Meisterwerk
suchte. Er neigte dazu, beim Sprechen schnell hintereinander zu blinzeln. Gewöhnlich
heftete er seinen Blick solange auf seinen Gesprächspartner, bis dieser verlegen
zur Seite schaute. Manche hatten den Eindruck, der Inspektor könne bis tief in die
Seele seines Gegenüber blicken.
    Micha schaltete ihr Handy mit einem
Seufzer auf Standby und folgte ihrem Onkel. Schließlich hatte sie sich fest vorgenommen,
ihm zu helfen. Sie wusste, dass er, obwohl er es bis zum Oberinspektor geschafft
hatte, ein wenig lebensfremd war. Eben ein richtiger Träumer, – eben ein echter
Mini-Cooper-Fahrer.
    Die Spur mit dem mutmaßlichen Auftragskiller
hatte sich zerschlagen. Wenige Tage nachdem Kroll aus Mallorca zurück war, erhielt
er die Nachricht, dass der Bursche bei einer Schießerei in Zusammenhang mit einem
Bandenkrieg in
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