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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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will.« Das ist nach
Port d’Andratx über eine lange Strecke entlang der felsigen Nordküste hinweg die
erste Möglichkeit, um sicher die Nacht in einem geschützten Hafen zu verbringen.
Friede und Geborgenheit, das war es, was auch er hier im fernen Mallorca suchte.
Zu Hause in Lübeck erwarteten ihn nur Mord und Totschlag und all die Schattenseiten
der menschlichen Seele.
    Jetzt ließ er sich und sein lichtes
Haupthaar von der mallorquinischen Frühjahrssonne verwöhnen. Der Osterhimmel zeigte
sich hier oben von der besten Seite. Kroll wusste nicht, was er mehr bewundern sollte:
das cremeblaue, wolkenlose und unendliche Himmelszelt oder das türkisblaue, grenzenlose
und glitzernde Meer, das sich von seinem Standpunkt aus fast über den gesamten Norden,
den Westen und den Süden ausbreitete.
    Eigentlich könnte ich mich für einen
Posten bei der hiesigen Kriminalpolizei bewerben, träumte er. Eine passende kleine
Finca würde er schon finden. Sie musste ja nicht unbedingt am Meer liegen. Für so
etwas würde sein bescheidenes Gehalt sicherlich nicht ausreichen. Er liebte das
romantische Landesinnere der Insel sowieso viel mehr als die touristisch überlaufenen
Küstenstriche.
    Außerdem schwärmte
er für die mallorquinische Küche. Aus diesem Grunde mietete er sich schon seit Jahren
statt in einem All-inclusive-Hotel lieber in einem kleinen Aparthotel in der Bucht
von Camp de Mar ein. Hier gab es außer einem paradiesischen Ausblick auf die romantische
Felsenbucht eine praktische Küchennische, welche ihm alles bot, um sich eine seiner
heiß geliebten Tapas zu brutzeln. Die Lebensmittel holte er sich gern in den beschaulichen
tiendas der nahe gelegenen Ortschaften Andratx oder Calvià. Dank seiner guten Spanischkenntnisse
pflegte er gern gesellige Kontakte zu den Einheimischen. Wobei er sich jedes Mal
höflich entschuldigte, nicht des Mallorquí kundig zu sein. Nun saß er oben auf dem
Gipfel des Bau ç à und nahm
sich vor, im nächsten Urlaub einen Grundkurs in der Inselsprache zu belegen.
    »Hm, heute Abend
werde ich mir eine Handvoll gambas anschmoren, mit viel ajo, dazu milde grüne pimientos.
Und eine Flasche vino tinto aus Benissalem.« Die Vorfreude ließ ihn seine Fußschmerzen
vergessen. Das Picknick auf dem Gipfel des Bau ç à wollte Kroll genüsslich mit einer Zigarette abschließen.
Er kramte in seinem Rucksack, fand aber nur ein altes Feuerzeug. Da erinnerte er
sich, dass er die Packung, die er heute Morgen an der Tankstelle von Andratx gekauft
hatte, in seine hintere Hosentasche gesteckt hatte. Und nun saß er darauf! Enttäuscht
schaute er auf die zerquetschte Schachtel und brachte etwas ans Tageslicht, das
ihn stark an die Überreste der Tempotücher erinnerte, die er zu Hause für gewöhnlich
in seiner Jeans vergaß, bevor diese sich der unerbittlichen Gewalt der Waschmaschine
unterwarf. Vorsichtig strich er den ›krummen Hund‹ gerade und ließ sein Feuerzeug
spielen. Es gab nur ein paar müde Funken von sich.
    »Verdammtes
Ding!«, fluchte er, diesmal weithin hörbar. Aber das half nichts. Jetzt blieb ihm
nichts anderes übrig, als sich ein paar Krümel in den Mund zu stecken und den Tabak
kauend zu genießen.
    »Na ja, Rauchen ist hier ja sowieso
wegen der Waldbrandgefahr verboten«, tröstete er sich.
    Sein lauter Ruf erinnerte ihn daran,
dass hier noch irgendwo jemand in der Nähe sein musste. Er packte seine Sachen zusammen,
schulterte den Rucksack und vergewisserte sich, dass er keine Abfälle hinterlassen
hatte. Plötzlich bemerkte er hinter einem Busch einen Hut.
    »Hm. – Lodenhut. – Was für Jäger.
Gute Qualität. Gepflegt und sauber. – Richtig. Hier, das Abzeichen am Hutband: DJV
– 50. Deutscher Jagdschutzverband. Fünfzigjähriges Jubiläum. Muss ein älterer Herr
sein. Vielleicht der unbekannte Wanderer, der hier oben Rast gemacht hat. – Aber
ein erfahrener Jäger lässt doch nicht seinen Hut unbemerkt zurück. Und dazu noch
so ein gutes Stück. – Merkwürdig.«
    Mit einem grübelnden Seufzer legte
er die Kopfbedeckung deutlich sichtbar auf einen Stein.
    »Vielleicht kommt er ja wieder.
So wird er seinen Hut finden.«
    Dann machte sich Kroll an den Abstieg.
Diesmal wollte er den weiter nördlich gelegenen Pfad versuchen, der in den Wanderführern
verschwiegen wird, weil er wesentlich unbequemer zu begehen ist.
    Auf halbem Wege stutzte er. Was
steckte da unten zwischen den Felsen? Haben da wieder Touristen ihre Abfälle hingeworfen?
Kroll kletterte vorsichtig in die
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