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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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Wahrscheinlich sind seinen Kühen die aus Versehen liegen
gelassenen Schokoeier samt Verpackung schlecht bekommen.
    Moment, da kommt gerade eine SMS
an. – Von Ricki.
    ›Hi, Micha. Haben Musik. Tot langweilig.
Hören gerade Weber – Freischütz. Völlig uncool. Gute Story, aber blöde Musik. Beneide
dich. G+K Ricki.‹
    Arme Ricki! Aber schließlich können
nicht alle freihaben. Stell dir vor, der Lehrer muss sich seinen Freischütz ganz
allein anhören. Das wäre doch auch langweilig. Und außerdem hat sich dieser Weber
bestimmt viel Mühe gegeben.
    Mein Gott, ist die Gegend hier langweilig,
aber Onkel Michel scheint begeistert zu sein: Da, schau mal, Kühe! Da hinten, ein
Pferd! – Oh, da drüben am Waldrand: Rehe! – Na ja. Ich hab schon Spannenderes geseh’n

    »Jetzt kommt die neue Umgehungsstraße.
Da darfst du nicht rauffahren, Onkel Michel! Immer weiter geradeaus!«
    … Aber ich will mich nicht beklagen,
schließlich hat er es geschafft, mich schon vor der Mittagspause aus der Schule
herauszuholen. Mich mal mitzunehmen auf seine Verbrecherjagd, das hat er mir schließlich
zum Geburtstag versprochen. Und es auch gehalten. Mama sah das nicht gern, aber
gestern kam Onkel Michel zu meiner Schule, machte sich vorm Schulleiter wichtig,
murmelte irgendwas von dienstlichem Anlass, Zeugenbefragung und so weiter, und schon
hatte ich frei.
    Die Schule ist ein Kreuz geworden.
Seit diesem Jahr ist unsere Gemeinschaftsschule eine sogenannte gebundene Ganztagsschule.
Das hat sich der blöde Schulleiter ausgedacht, weil er dadurch zusätzliche Gelder
aus dem Ministerium bekommen konnte. An uns Kinder hat er dabei wohl nicht gedacht.
Wir müssen jetzt von 8 bis 16 Uhr in der muffigen Schule rumhocken, müssen das widerliche
Kantinenessen runterwürgen und ständig ruhig an den Tischen sitzen und pauken. Rund
um die Uhr. Dabei haben auch wir Kinder ein Recht auf Freizeit. Ich will auch mal
rumtoben, rumlungern, mit anderen Kindern spielen, durch den großen Mediamarkt stromern
und die neusten Handys oder Computerspiele ausprobieren, – oder einfach zu Hause
auf dem Sofa liegen und meine Lieblingsband ›Pausenbrot‹ hören …
    »Da vorne musst du rechts in die
Elisabethstraße fahren und bei der nächsten Ampel links in die Weidestraße!«
    … Jetzt haben sie uns wie in einer
Kaserne eingesperrt. Viele Kinder, gerade die Jungs, sind erheblich aggressiver
geworden. Auch den Lehrern merkt man es an, dass sie jetzt mehr Stress haben. Manche
haben den Spaß am Unterrichten verloren und übertragen ihre schlechte Laune auf
uns.
    Angeblich waren die Eltern dafür.
Wegen der Berufstätigkeit, hieß es. Aber das kann ich nicht glauben. Mama hätte
mich lieber zu Hause gehabt. Das darf sie jetzt aber nicht mehr. Außerdem kocht
sie besser. Und viele Mütter meiner Klassenkameraden leben von Hartz IV, die hocken
ohnehin gelangweilt zu Hause vor der Glotze …
    »So, jetzt hinter dem Bahnübergang
einen kleinen Schlenker nach rechts und gleich danach links in den Jungfernstieg
einbiegen. – Ja, genau. Prima hast du das gemacht. Da vorne am Rande des Schlossparks
können wir parken.«
    … Ach, vergessen wir die blöde Schule.
Ich freue mich, dass ich jetzt nicht bei Frau Heinzmann in Musik hocken muss, –
obwohl sie ja eigentlich eine ganz Nette ist.
    Weber, – wer das wohl wahr? Und
so ein komischer Titel, – Freischütz …
    »Onkel Micha, was ist ein Freischütz?
Ist das ein Mörder? Auch so einer wie die, mit denen du es zu tun hast?«
    »Freischütz … Ja. – Nee, das hat
mit Verbrechen nichts zu tun, glaube ich. Eher mit Musik oder so. – Frag mal heute
Abend deine Mutter. Die kennt sich da besser aus. Ich muss mich jetzt auf meine
Arbeit konzentrieren. Du weißt, dass ich dienstlich hier bin.«
    »Wo sind denn nun deine Verbrecher,
Onkel Michel?«
    »Das muss ich doch erst noch herausbekommen!
Selbst hier in der Provinz laufen die Täter nicht mit einem Hinweisschild herum.
– Aber du kannst mir ja helfen, sie zu finden. Die Jugend hat doch für vieles eine
feinere Nase als wir Erwachsenen.«
    … Stimmt, wenn ich mir so seine
Nase anschaue. Ein wirklich heftiger Kolben. Meine ist dagegen zierlich und schön
geschwungen. Eigentlich bin ich doch ganz schön. – Wenn nicht meine Pummelfinger
wären …
    Wow, das Schloss ist ja echt geil!
Das muss ich gleich Ricki simsen. Die wird jetzt Mathe haben. Da steht ihr Lehrer
sowieso nur vor der Tafel und verschwendet seine Kreide, ohne zu merken, dass
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