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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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Felsmulde. Dort lag ein wie ein Jäger gekleideter
Mensch regungslos mit blutendem Kopf zwischen dem Geröll. Dessen Rucksack entdeckte
Kroll mehrere Meter weiter den Geröllhang abwärts.
    Er holte das Handy aus seinem Rucksack.
Um die teuren Fernrufe zu umgehen, hatte er es sich angewöhnt, bei seinen Spanienreisen
eine spanische Prepaidkarte in sein Handy einzulegen. Die Notrufnummer kannte er
auswendig. Sofort war er mit der spanischen Polizei verbunden. Jetzt erwies es sich
als Vorteil, dass er so gut Spanisch konnte. Er erklärte dem Beamten kurz den Sachverhalt.
Man versprach ihm, einen Hubschrauber zur Bergung des Verunglückten zu schicken.
Er selbst solle vor Ort bleiben, um die Rettungsmannschaft einzuweisen.
    Vorsichtig näherte er sich der Person.
Kroll hatte schon zu oft Tote gesehen, um zu wissen, dass hier Erste Hilfe fehl
am Platze war. Einen kurzen Moment reizte es ihn, die Taschen des Mannes zu durchsuchen.
Aber als Profi wusste er, dass er das den Leuten von der Spurensicherung überlassen
sollte. So konnte er nichts anderes tun, als auf den Hubschrauber zu warten. Er
nahm den Rucksack ab und setzte sich auf einen Felsbrocken.
    Stille herrschte, eine beklemmende
Stille. Selbst die Natur war verstummt. Kroll wagte es nicht, sich zu bewegen, um
die Ruhe des Toten nicht zu stören. Er betrachtete beiläufig seinen vor ihm abgelegten
Rucksack. Am liebsten hätte er jetzt einen unverdünnten Schluck Rotwein zu sich
genommen. Aber das empfand er als pietätlos.
    Plötzlich
schoss ihm ein bohrender Gedanke durch den Kopf: Wieso liegt sein Rucksack so weit
weg? Wieso hat er ihn nicht umgeschnallt? Man wandert nicht mit dem Rucksack in
der Hand durch eine so bergige Gegend! – Meinen Rucksack nehme ich doch nur ab,
wenn ich Rast mache. – Wenn der Mann unglücklich gestürzt wäre, hätte er ihn doch
bestimmt noch auf dem Rücken. – Und dann der Hut oben auf dem Gipfel. Wahrscheinlich
gehört der zu dem Verunglückten. Aber man stolpert doch nicht, und der Hut fällt
nach oben! Höchst merkwürdig, das alles.
    Unfall oder
Mord? Der Instinkt des Kriminalisten war in Kroll erwacht. Wieder hatte ihn sein
Beruf eingeholt. Von Urlaub konnte nun keine Rede mehr sein. Er fischte sein Handy
erneut aus dem Rucksack und ließ sich mit der Mordkommission in Palma verbinden.
Dort wies er sich als Kollege aus und erläuterte seinen Verdacht. Auch vergaß er
nicht, den gelben Mietwagen zu erwähnen, der bei seiner Ankunft vom Parkplatz fortgefahren
war. Vielleicht ergab sich da eine Spur, die man weiterverfolgen konnte.
    Die örtliche
Spurensicherung wurde sofort auf den Weg geschickt. Zunächst musste dafür gesorgt
werden, dass die Rettungsmannschaft des Hubschraubers keine Spuren verwischte und
das einsame Auto auf dem Parkplatz am Eingang der Route sichergestellt wurde. Außerdem
bot der spanische Kollege den Einsatz einer Spürhundestaffel an, die sich bei der
Spurensuche in wildem Terrain bewährt hatte. Kroll sollte den telefonischen Kontakt
auf jeden Fall aufrechterhalten.
    Gut, dass ich jetzt meine spanische
Prepaidkarte habe, dachte er. Das wären teure Gespräche geworden. Er machte es sich
auf einem umgefallenen Baumstamm bequem und genoss ein letztes Mal die herrliche
Ruhe der Natur.
    Nach etwa 20 Minuten näherte sich
unter ohrenbetäubendem Lärm der Helikopter. Er konnte nur auf einem niedriger gelegenen
Felsplateau landen. Dort wartete dann die Mannschaft, bis die Leute der Spurensicherung
und der Mordkommission mit ihren nicht besonders weniger lauten Landrovers eintrafen
und die ganze Gegend mit einer dichten Staubwolke bedeckten. Der Zauber der Insel
war für Kroll nun endgültig gebrochen. Ihm kam es so vor, als hätte seine Trauminsel
ihre Jungfräulichkeit verloren.
    Comisario Alejandro
Ruiz-Valdés machte sich mit einem Assistenten allein auf den Weg zum Fundort der
Leiche, wo Kroll wartete. Die beiden Profis waren sich auf Anhieb sympathisch. Kroll
gefielen die wachen, aber dennoch verträumt wirkenden Augen des Comisario. Im Gegensatz
zu vielen seiner Landsleute redete er nur wenig und verzichtete weitgehend auf das
für die Spanier typische Gestikulieren. Alejandro hingegen musste innerlich schmunzeln,
als er den Deutschen mit seiner verbeulten Jeans und den klobigen Turnschuhen musterte.
    »Ihre Schnürsenkel haben sich gelöst,
mein Lieber. Wenn man drauftritt, kann man leicht ins Stolpern kommen, und eine
Leiche genügt uns vorläufig.«
    Kroll schämte sich ein wenig wegen
seiner
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