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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie
Autoren: Dieter Buehrig
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Nachlässigkeit. »Oh, diese verflixten Schuhe! Wirklich keine gute Qualität,
diese Schnürsenkel. Immer rebellisch!«
    Der Spanier lachte herzhaft und
klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Wenn das Ihr einziges Problem ist, würde
ich gern mit Ihnen tauschen. – Gut, dass ich hier gleich auf einen Profi gestoßen
bin. Die normalen Touristen hätten uns alle Spuren verdorben.«
    Kroll freute sich heimlich über
das Lob.
    Dann näherten
sich beide vorsichtig der Leiche und musterten sie von allen Seiten. Der Hinterkopf
wies eine schwach blutende, offene Wunde auf. Merkwürdigerweise konnte man am restlichen
Körper, außer einigen Fallspuren, auf den ersten Blick keine größeren Verletzungen
erkennen.
    Der Mann war
– für einen Wanderer in dieser Gegend etwas ungewöhnlich – mit einer teuren Jägerbekleidung
ausgestattet. Die grüne Kniebundhose aus Baumwolle passte stilgetreu zur farbgleichen
Lodenjacke aus Schurwolle. Die Füße steckten in schweren Nubuklederschuhen. Der
Jagdrucksack aus natogrünem Segelleinen lag geschlossen einen Steinwurf weiter entfernt.
Alles wies, abgesehen von Schleifspuren, nur wenig Abnutzung auf.
    »Hm«, brummte
Kroll vor sich hin. »Eigentlich keine typische Kleidung für einen Wandervogel auf
Mallorca! Entweder ein spleeniger deutscher Tourist oder ein pensionierter Jäger
aus dem Landadel, den es hierher verschlagen hat.«
    »Ein Einheimischer ist es sicher
nicht«, meinte der Comisario. »Unsere Jäger sehen anders aus. Außerdem fehlen jegliche
Jagdutensilien. – Aber das mit dem Rucksack ist, wie Sie bereits am Telefon bemerkten,
in der Tat auffällig. Außerdem kann ich auf den ersten Blick keine Blutspuren an
den Felsen entdecken. Wenn der Mann wirklich unglücklich gestürzt wäre, hätte das
bestimmt Abdrücke hinterlassen.«
    »Ja, und außerdem gefällt mir nicht,
dass sein Hut fehlt. Oben auf dem Gipfel liegt einer, der zu dem Toten passt. Der
Mann wird doch nicht von dort hinuntergefallen sein. – Ich denke, man sollte das
Gebiet weitläufig absperren und auf weitere Spuren hin durchkämmen.«
    »Genau. Das hatte ich auch vor.«
Der Comisario rief seinen Assistenten und befahl ihm, Wache zu halten. Dann machten
sich die beiden Profis auf den Weg zu den anderen, die unten auf dem Felsplateau
warteten. Dort wurde ein kurzer Kriegsrat abgehalten, und nach kurzer Zeit wusste
jeder, was er zu tun hatte. Dann wandte sich Alejandro an seinen deutschen Kollegen:
    »Kommen Sie mit auf ein Tässchen
Kaffee nach Galilea, bei María in der Bar Parroquial. Dort können wir uns stärken
und den weiteren Gang der Dinge besprechen. Hier stehen wir sowieso nur im Weg.
Und außerdem, wissen Sie, arbeiten meine Leute viel besser, wenn ich nicht dabei
bin. Mein Assistent wird mir dann Bericht erstatten.«
    »Wenn das mit meinem Assistenten
Hopfinger auch so gut klappen würde …«, träumte Kroll vor sich hin.
    Oben auf der Terrasse der Bar kamen
in ihm wieder Urlaubsgefühle hoch. Sie saßen in der Sonne auf dem schönen alten
Kirchplatz. Dem Tässchen Kaffee folgte schnell ein Tunel hierbas con hielo. Dazu
gab es ein paar kleine Tapas. Kroll nahm sein Glas, schüttelte die Eiswürfel vorsichtig,
sodass sie in der Flüssigkeit kreisten, und nippte ein wenig am süßlichen Kräuterlikör.
    »Schön haben Sie es hier. Ich würde
gern mit Ihnen tauschen. Sonne, Strand, herrliche Berge. Und die meisten Touristen
hocken ohnehin den ganzen Tag in ihren All-inclusive-Ghettos. Da bleibt für Sie
doch höchstens mal ein kleiner Ladendiebstahl.«
    »Na ja, da zu arbeiten, wo andere
Leute Urlaub machen, ist in unserem Beruf auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Und
im Übrigen macht das Kapitalverbrechen auch vor unserer Insel nicht halt. Wenn Sie
wüssten, was wir mit Drogenbanden und Mafiastrukturen zu schaffen haben!«
    »Ach, vergessen wir für heute unsere
Klientel. Trinken wir noch einen Hierbas. Das wird wohl die letzte Stunde meines
Urlaubs sein. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Tote ein Deutscher ist und
dass man mich zu Hause braucht, zumindest, um rasche Amtshilfe zu leisten.
    So wie es
aussieht, muss ich ihn frühzeitig abbrechen. Sie kennen ja uns Deutsche: Schnaps
ist Schnaps – Dienst ist Dienst. Jetzt habe ich erst einmal die traurige Aufgabe,
meiner Nichte mitzuteilen, dass wir unseren Urlaub abbrechen müssen. Die wird ganz
schön sauer sein. Ich fürchte, ich werd ihr ein besonderes Trostpflaster schenken
müssen. Sie ist jetzt in einem Alter, in dem Mädels
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