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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel
Autoren: Marko Hautala
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Markus und Jenni überallhin folgte, um aufzupassen, dass nichts Schlimmes geschah.
    Die Umkleidekabine hatte keinen Fußboden. Auf der Erde lag die Hülle von einem Snickers, die aussah wie zerdrückter Christbaumschmuck. Daneben ein Kondom.
    »Sieh mal«, sagte Markus und zeigte auf das Gummiding, das zur Hälfte von Sand bedeckt war, als hätte jemand hastig versucht, es zu verstecken. »Hier hat wer gefickt.«
    »Iih«, quiekte Jenni.
    »Weißt du, wer hier fickt?«, fragte Markus. Jenni verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Die Strandwächter«, flüsterte Markus. »Die finden jeden Morgen angeschwemmte Meerjungfrauen.«
    Jenni bemühte sich, das Lachen zu unterdrücken.
    »Doch, doch. Sie bringen die halbtoten Meerjungfrauen her und ficken sie, und die können sich nicht wehren.«
    »Du bist verrückt.«
    »Bin ich nicht. Schau.«
    Markus hob das Kondom auf, fasste es mit spitzen Fingern an.
    »Der Schleim einer Meerjungfrau.«
    Jenni machte ein würgendes Geräusch und schlug Markus gegen die Hand, sodass das Präser herunterfiel. Dannlachte sie auf und sah plötzlich verwirrt aus. Sie pustete Markus ins Gesicht, um die Verwirrung zu vertreiben. Ihr Atem roch nach Vanille und Haselnuss. Markus bückte sich und küsste Jennis kühle Lippen. Das Manöver war zu schnell und ungeschickt, doch Jenni schlug ihn nicht. Sie lächelte nur, wenngleich ihm schien, dass ihr eigentlich nicht zum Lächeln war. Markus schob eine Hand unter ihren Rock. An den Fingerspitzen spürte er den glatten Stoff des Badeanzugs und darunter weiche Haut, die unter seiner Berührung nachgab.
    »Idiot«, sagte Jenni. »Du spinnst wohl!«
    Markus zog die Hand weg. Jenni sah ihn entrüstet an, dabei wussten alle, dass sie sich im Mai bei einer Party von einem aus der neunten Klasse hatte betatschen lassen. Sie drehte sich um und verließ die Kabine. Gleißendes Licht und intensiver Salzwassergeruch drangen herein, dann kehrte das Zwielicht zurück. Markus wäre gern länger in der kühlen Kabine geblieben, doch er folgte Jenni. Sie war in das flache Wasser am Ufer gelaufen und ließ mit den Füßen die Gischt aufspritzen. Markus hob eine Handvoll von dem glühend heißen Sand auf und schüttete ihn rasch in den Halsausschnitt von Jennis Kleid.
    Jenni schrie und jagte ihm nach, doch Markus lief ins Meer, bis ihm das Wasser an die Hüften ging und er in Sicherheit war. Jenni zeigte ihm beidhändig den Stinkefinger und warf Sand nach ihm. Markus ging weiter ins Wasser, bis seine Füße den Grund nicht mehr berührten. Er schwamm ein paar Züge, drehte sich dann um und betrachtete Jenni, die am Ufer stand. Sie schüttelte ihr Kleid aus, versuchte den Sand loszuwerden. Markus hatte das Gefühl, Jenni hier viel genauer zu sehen als zu Hause. Es war, als hätte jemand das Licht versehentlich ein wenigheller gestellt als nötig. Es enthüllte die Farbe der Haut und jedes Haar, jede Pore, selbst das kleinste Grübchen.
    Markus lachte vor sich hin und hielt den Mund unter Wasser. Er pustete Bläschen in das Salzwasser und dachte an Jennis Atem, an ihre Lippen, an Haselnüsse und Vanille. Das Wasser war schwerer und stärker als in Finnland. Ein richtiges Meer , sagte Mutter jedes Mal, wenn sie an den Strand kamen. Kein finnisches Brackwasser .
    Zuerst sah Markus die im Takt der Wellen dahingleitende Form nur aus den Augenwinkeln. Sie befand sich gleich unter der Oberfläche, ein schleierartiger durchsichtiger Schemen, der sich pulsierend bewegte. Markus glaubte, es sei ein Stück Plastik, und spielte mit dem Gedanken, es ans Ufer mitzunehmen. Er könnte es auf Jennis Badetuch legen, gerade bevor sie sich darauf ausstreckte. Dann fiel ihm ein, dass seine Mutter ihn vor Quallen gewarnt hatte.
    Das Entsetzen lähmte seine Glieder blitzschnell. Nicht wie ein Stromschlag, sondern so, als hätten die Muskeln innerhalb weniger Sekunden ihre Kraft verloren. Quallen. Markus hatte versucht, sie sich vorzustellen. Zu begreifen, dass sie in Wahrheit Tiere waren, obwohl sie angeblich im Wasser schwimmenden Häuten glichen.
    Markus hoffte, das Glibbertier würde von den Wellen davongetragen, doch es blieb an seinem Platz. Je genauer er es ansah, desto deutlicher schien es sich zu nähern. Entschlossen den Wellen trotzend, wie ein Raubtier, das Witterung genommen hat. Markus machte kehrt und schwamm einige hastige Züge, doch dann erinnerte er sich an die zweite Warnung. Nicht zu weit hinaus. Die Strömung reißt einen mit.
    Wieder drehte Markus sich um
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