Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel
Autoren: Marko Hautala
Vom Netzwerk:
Gesicht lag ein dummes kindisches Lächeln, das durch die schlechte Bildqualität zahnlos wirkte. Der Mann blickte nach oben, als wäre am Himmel etwas Außergewöhnliches und Belustigendes zu sehen. Unter dem Bild stand: Fische fressen totes Haut . Und darunter: Führung ruf an sowie eine Telefonnummer. Jenni starrte auf die Worte und unterdrückte einen Lachanfall, während sie das Wechselgeld entgegennahm.
    »Warum hast du gelacht?«, fragte Miro an der Tür.
    »Ich hab nicht gelacht«, antwortete Jenni.
    Sie stritten sich darüber, bis Miro etwas Interessanteres entdeckte.
    Vor dem Laden befand sich ein kleiner Bootssteg, an dem ein einsames Fischerboot dümpelte. Der Name an seiner Seite war so verblichen, dass man nur noch die letzten vier Buchstaben lesen konnte: »eter«. Am Ende des Bootsstegs stand ein junger Mann in einem dunkelgrauen Regenmantel. Er wiegte sich hin und her und schien mit sich selbst zu sprechen, doch Miro erkannte sofort, was los war.
    »Ein junger Hund!«, rief er.
    Nun sah auch Jenni das Bündel auf den Armen des Mannes. Vielleicht war es ein Welpe. Vielleicht hob er ab und zu die Schnauze und stupste sie ans Kinn seines Herrchens.
    Plötzlich straffte sich der Körper des Mannes, und es sah aus, als ob er dem leeren Boot etwas zuriefe. Oder dem Meer. Seine Stimme war nicht zu hören. Vielleicht ging sie im Wind unter, der nun direkt vom offenen Meer wehte. Als Jenni Miro ins Auto half, überlegte sie, ob sich doch jemand im Boot befand.
    Die Umgebung wurde karger, als sie ihre Fahrt fortsetzten. Es war ein sanftes Gleiten in immer größere Leere. Die Bäume wuchsen spärlicher, einige waren abgestorben. Hier und da standen große Findlinge, die nahe daran schienen umzukippen.
    »Kann hier überhaupt noch etwas sein?«, fragte Jenni beim Anblick der Landschaft, die beklemmend unwirtlich wirkte, als befänden sie sich auf einem fremden Planeten.
    »Mindestens ein Fischerdorf«, antwortete Aaron.
    Er zeigte auf den Navigator, dem zufolge sie noch knapp drei Kilometer von ihrem Ziel entfernt waren. Auf demDisplay schlängelte sich die Straße, doch der Pfeil zeigte selbstsicher nach vorn. Jenni drehte sich um und betrachtete das am Seitenfenster vorbeihuschende Gelände. Sie wollte Aaron gerade bitten, langsamer zu fahren, als Miro gellend aufschrie.
    »Ein Elch!«
    Jenni hatte nicht einmal mehr Zeit zu erschrecken, bevor sich der Sicherheitsgurt über ihrem Brustkorb spannte. Der Druck presste einen leisen Schrei aus ihrer Lunge, als hätte ihr Körper schneller als ihr Verstand begriffen, dass Miro nicht angeschnallt war, dass er nicht gehorcht hatte, obwohl sie ihn so oft ermahnt hatte. Erst als der Wagen hielt, spürte sie den Stoß an ihrer Rücklehne.
    Sie versuchte, sich umzudrehen und nach hinten zu sehen, ohne zu wissen, ob der Wagen gegen etwas geprallt war. Aber der Sicherheitsgurt gab nicht nach, und als sie sich hin und her wand, wurde die Lage nur noch beengter. Immer wieder rief sie Miros Namen und tastete nach Aarons Schulter. Er sollte ihr sagen, ob etwas Schlimmes passiert war.
    Dann war von hinten eine dumpfe Stimme zu hören.
    »Oho.«
    »Miro?«
    »Oho, oho!«
    Die Worte gingen in lautes Lachen über.
    »Miro!«, rief Jenni. Nun, da sie es wagte, das Adrenalin durch ihre Adern schießen zu lassen, wurde ihre Stimme schneidender.
    Aaron war bereits ausgestiegen. Erst jetzt schaute Jenni sich nach dem Elch um. Doch alles war leer, es gab nicht einmal mehr Libellen. Die Straße wand sich durch das felsigeGelände und wirkte in dieser Einöde überflüssig. Jenni hörte, wie Aaron die Tür zum Fond aufriss. Miro fluchte kieksend, als er aus dem Auto gezogen wurde.
    »Aaron«, sagte Jenni und öffnete hektisch den Sicherheitsgurt. Alles war so schnell gegangen, dass sie die Bedeutung von Miros Ausruf nicht begriffen hatte. Der Elch und seine Verbindung zu Markus und zu allem, was in den letzten Jahren hatte unterdrückt werden müssen. Aaron dagegen hatte sofort auf das Wort reagiert, hatte instinktiv gebremst, obwohl die Straße leer war.
    »Beruhige dich«, versuchte Jenni einzugreifen, doch Aaron schleifte Miro bereits von der Straße herunter. Die Füße des Jungen stolperten über Steine und Moos, als er versuchte, sich aus dem harten Griff des erwachsenen Mannes zu befreien. Jenni wollte auf keinen Fall, dass Miro in das unwirtliche Gelände gebracht wurde, wo es nicht einmal einen Pfad gab. Auch sie selbst mochte nicht aussteigen. Wenn geschimpft werden musste,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher