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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: Ulrike Bliefert
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gelben Ölzeug, die jenseits des großen Priels zurück zur Küste stapfte, keinerlei Beachtung mehr. Nico Gräther hatte sie nachdrücklich auf die Reichweite seiner Waffe hingewiesen und keinen Zweifel daran gelassen, dass er bei einem Fluchtversuch nicht zögern würde abzudrücken.
    Die Muscheln hatten tiefe Schnittwunden in Kellys Fußsohlen hinterlassen. Ihre Handgelenke waren aufgeschürft und in der Platzwunde an ihrer Stirn klebte geronnenes Blut. Vor ihr auf dem sandigen Boden lag eine Nagelfeile; in Griffweite, aber mit den an die Eisenstrebe gefesselten Händen unerreichbar. Offenbar hatte Kelly vergeblich und bis zur völligen Erschöpfung versucht, damit die Plastikfesseln zu durchtrennen.
    Â»Pistole«, murmelte sie benommen. »Abfeuern…Hilfe…«
    Â»Keine Angst. Nico kann uns nichts mehr tun«, redete Anatol ihr beruhigend zu, obwohl er wusste, dass es in weniger als einer Stunde mit ihnen vorbei sein würde. Das Wasser stieg unaufhaltsam; über kurz oder lang würde es sogar für einen geübten Schwimmer nicht mehr möglich sein, den großen Priel zu durchqueren.
    Zwar hatte der Regen aufgehört, aber die Sonne kam trotzdem nicht hervor. Es war eiskalt und alle drei waren bis auf die Haut durchnässt.
    Kelly verlor immer wieder das Bewusstsein. »Pistole …«, murmelte sie schwach. »Abfeuern …«
    Klaus Behrens war ein viel zu guter Schachspieler, um nicht zu wissen, dass ihm nur noch ein Bauernopfer helfen konnte, den drohenden Schaden zumindest zu begrenzen.
    Ihm war klar, dass sein bester Freund ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, über die Klinge springen lassen würde, und er hatte damit noch nicht mal unrecht. Schließlich war die Sache von Anfang an seine Idee gewesen.
    Sie würden nicht aufhören, Fragen zu stellen, sie würden jedes Blatt in seinem Büro unter die Lupe nehmen und spätestens angesichts der ansehnlichen Summe, die Gräther Monat für Monat auf sein Konto überwiesen hatte, würde auch dem letzten Ermittler klar werden, dass es sich dabei keinesfalls – wie angegeben – um ein »Honorar für Beratertätigkeit« handelte.
    Â»Ich möchte eine Aussage machen«, erklärte er geradezu feierlich.
    Wenn er jetzt schnell reagierte, würden sie ihm allenfalls Mitwisserschaft nachweisen können. Bei allem anderen stünde Aussage gegen Aussage. Ein Kinderspiel, da die Oberhand zu gewinnen. Wozu hatte man schließlich studiert?
    Als Kelly erneut das Bewusstsein verlor, tätschelte Malin wieder und wieder ihre Wangen, so, wie sie es im Fernsehen immer gesehen hatte: Unterkühlte Personen galt es unter allen Umständen wach zu halten.
    Als Anatol versuchte – so gut es mit den gefesselten Händen ging –, etwas Wärme zurück in ihre blau gefrorenen Arme zu reiben, kam Kelly wieder zu sich. Diesmal schien sie ihre Umgebung klarer wahrzunehmen. Energisch wehrte sie Malins Hände ab, riss die Augen auf und starrte nach oben.
    Â»Da oben! Pistole … Abfeuern … Signal … Muss … Leiter hoch …«, stammelte sie.
    Malins und Anatols Blick wanderte ebenfalls nach oben. »Kelly, was meinst du? Da ist eine Signalpistole?! Mit der man Hilfe holen kann?!«
    Â»Ja… Bitte! Wenigstens ihr beide könnt euch retten…«
    Anatol nahm den Turm näher in Augenschein. Auf der anderen Seite befand sich tatsächlich eine Leiter, daneben war ein Schild angebracht. »Rettungsbake… Nur im Notfall benutzen… zwei Rauchsignale… Handfackeln Richtung Land halten … «, las er laut.
    Einen Moment lang schöpfte Malin Hoffnung. Doch dann wanderte ihr Blick erneut hoch zu dem käfigartigen Gebilde an der Spitze des Turms. Die Rettungsbake ragte mindestens fünf Meter über der Sandbank empor und die Leiter war vertikal an den Streben angebracht. Wie sollte man da mit gefesselten Händen hochkommen?
    Â»Komm, Anatol, das hat keinen Zweck …«
    Â»Doch. Das ist unsere einzige Chance.«
    Er umfasste die Leitersprosse, die er, auf den Zehenspitzen stehend, gerade noch erreichen konnte, und zog sich hoch. Dann klammerte er sich mit den Beinen fest, hakte seine angewinkelten Arme unter der nächste Sprosse ein und bewältigte so die ersten Zentimeter.
    Fünf Meter , dachte Malin, mindestens!
    Auch wenn Anatol die Kraft auf dem Weg nach oben nicht verließ, würde es ewig
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