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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: Ulrike Bliefert
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Osnabrück?«
    Â»Auch in Osnabrück.«
    Kelly hatte alles probiert. Vergeblich. Der Trick mit der Haarspraydose war als erster gescheitert. Im entscheidenden Moment funktionierte ganz einfach das Feuerzeug nicht. »Hübsche Idee«, hatte Nico Gräther zynisch bemerkt. »Pass auf, Süße: Ich hab ’ne Waffe und du nicht. Also tust du besser, was ich sage, und hältst den Mund, okay?«
    Nachdem er sie gezwungen hatte, ihre Schuhe auszuziehen, machte er sie mit einem Kabelbinder, wie sie das SEK bei Großeinsätzen anstelle von Handschellen benutzte, im wahrsten Sinne des Wortes handlungsunfähig.
    Beim zweiten Versuch, als sie schon auf der Autobahn waren – Nico am Steuer und sie mit gefesselten Händen auf dem Beifahrersitz –, hatte sie den Kopf an die Scheibe geschlagen, bis sie blutete, und so versucht, Vorbeifahrende auf sich aufmerksam zu machen. Aber es war noch dunkel und um diese Tageszeit waren fast ausschließlich Lastwagenfahrer unterwegs, die sich nicht im Geringsten um die Insassen eines einzelnen roten Mini Cooper kümmerten.
    Â»Was hast du denn jetzt vor?«, fragte Kelly, als sie noch vor Tagesanbruch auf einem einsamen Parkplatz irgendwo an der Küste ausstiegen.
    Â»Los«, sagte Nico statt einer Antwort. »Und komm ja nicht auf dumme Gedanken, okay? Noch mal – und merk’s dir –, ich hab ’ne Waffe, du nicht. Wenn du wegrennst, kommst du keine fünf Meter weit.«
    Er nahm das Navi aus dem Wagen und wies mit der Pistole in Richtung Wattenmeer. »Vorwärts.«
    Der Weg zog sich in die Länge und nach einem knappen Kilometer wimmerte Kelly bei jedem Schritt. Ihre nackten, von Muschelschalen zerschnittenen Füße hinterließen blutige Spuren im Watt; rotgraue Vertiefungen, die sich nach kurzer Zeit gurgelnd voll Salzwasser sogen und schließlich verschwanden, als habe es sie nie gegeben.
    Nach einiger Zeit hielt Gräther inne und nahm Kellys Schmerzenslaute mit dem Handy auf.
    Alles lief perfekt nach Plan.
    Â»So. Und jetzt hör auf, mir auf die Nerven zu gehen!«, herrschte er sie an und nötigte sie zum Weitergehen.
    Er selbst trug Schuhe mit besonders festen Sohlen.
    Als sie den Rettungsturm erreichten, band er Kellys Hände mit einem weiteren Kabelbinder an einer der Eisenstreben fest.
    Â»Putzige Form von Suizid«, sagte er, »aber wenigstens bin ich nicht dabei, wenn du baden gehst.«
    Als er zum Parkplatz zurückkam, stand ein Wohnmobil mit Nürnberger Kennzeichen unmittelbar neben Kellys rotem Mini. Der Fahrer stieg aus, streckte sich, gähnte und schickte eine verschlafenes »Moin!« in Nicos Richtung.
    Â»Bonjour!«, antwortete Nico, ȍa va?« Er grinste. In ein paar Stunden würde sich der Nürnberger lediglich an einen freundlichen Franzosen erinnern, der von seiner frühmorgendlichen Joggingrunde zurückkam.
    Ansonsten störte der unerwartet aufgekreuzte Zeuge Nico Gräther nicht im Geringsten: Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, Kellys Wagen für die Rückfahrt zu benutzen; schließlich sollte alles nach einem gut geplanten Suizid aussehen. Er hatte es ein paar Mal ausprobiert: Man konnte sich mit einigem Geschick – und unter Zuhilfenahme der Zähne – selbst mit den Kabelbindern fesseln. Und einmal zugezogen waren sie mit bloßen Händen nicht mehr zu lösen.
    Er schaute auf die Uhr. Das Wasser kam bereits zurück.
    Jetzt war alles nur noch eine Frage des exakten Timings. Um kurz vor acht hatten Malin und Anatol ihre Sachen gepackt und saßen mit knurrendem Magen am Campingtisch, um zum Abschied noch ein letztes Mal mit Kelly zusammen in Svennis Garten zu frühstücken.
    Um halb neun riefen sie bei Beckers Gartenbau an und ließen sich Svennis Handynummer geben. Der staunte nicht schlecht über das, was sie zu erzählen hatten. »Echt? Ihr habt zu fünft bei mir in der Hütte gehaust?«
    Â»Wieso zu fünft?«, fragte Anatol verwirrt.
    Â»Na ihr beide und Sally und ihr Bruder und dem seine Freundin!«
    Anatol hatte keine Ahnung, von wem die Rede war, aber er konnte sich seinen Teil denken.
    Â»Die Sally ist abgereist, Svenni. Mitsamt ihrem Anhang. Sorry …« Er verkniff sich ein Lachen, als er Svenni am anderen Ende der Leitung enttäuscht aufstöhnen hörte. »Aber dafür hast du jetzt ein picobello Grundstück: brombeersträucher- und schneckenfrei und mit
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