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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: Ulrike Bliefert
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umweltfreundlichem Igelunterschlupf…«
    Gegen neun teilten sich Malin und Anatol heißhungrig ein Croissant und machten sich den x-ten Pulverkaffee.
    Nachdem sie mehrfach vergeblich versucht hatten, Kelly auf ihrem Handy zu erreichen, begannen sie, sich ernsthaft Sorgen zu machen.
    Â»Ich glaube, sie hat gesagt, dieser … Wie nennt man das noch mal? Cache?«
    Anatol nickte. »Der muss auf so ’ner Art Boje oder Rettungsturm versteckt sein.«
    Â»Hört sich harmlos an. Aber vielleicht ist ihr ja trotzdem was passiert.«
    Â»Weißt du, was? Ich geh nach Bedekaspel und frag mich da durch, ja? Da wird es schon jemanden geben, der weiß, wo das sein könnte.«
    Doch so weit kam es gar nicht erst. Das iPhone klingelte und das Erste, was sie hörten, war Möwengeschrei und das heftige Rauschen von Sturm oder starkem Wind. Dann folgte ein verzerrtes Stöhnen und Wimmern und kurz darauf brach die Verbindung ab.
    Â»Oh Gott! Das war Kelly! Sie muss sich verletzt haben! Das klang jedenfalls wie schreckliche Schmerzen!«
    Â»Was machen wir denn jetzt?«
    Noch ehe die beiden in ihrer Aufregung einen klaren Gedanken fassen konnten, signalisierte das iPhone das Eintreffen einer SMS:
    Batterie gleich alle. Fuß verknackst. Bitte helfen. v. Parkpl. Camper Deich immer geradeaus.
    Die leuchtend gelben, spöttisch Friesennerz genannten Wetterjacken gab es in jeder Fußgängerzone der Umgebung massenhaft zu kaufen. Statt aus ölimprägniertem Leinen bestanden die traditionellen Fischerjacken mittlerweile aus Polyester oder PVC und es gab sie in sämtlichen Preisklassen von Billigschrott bis Edelversion.
    Nico Gräther entschied sich für die Edelversion; wohlweislich mit passenden Gummistiefeln.
    Alles, was er dann noch zu tun hatte, war, zurück zum Deich zu gehen und – die Kapuze hochgeschlagen – in sicherer Entfernung vom Parkplatz zu warten.
    Es hatte angefangen zu regnen.
    Malin und Anatol waren froh, dass gleich der erste Wagen anhielt, um sie mitzunehmen. Den auf der Ladefläche gestapelten Futtersäcken zufolge war der Fahrer ein ortsansässiger Landwirt. »Oh Mann, ej«, brummte er, »bei dem Schietwetter bring ich euch man gleich an Ort und Stelle, nej?«
    Sein Wagen roch nach nassem Hund und er fuhr wie ein Henker.
    Außer Kellys rotem Mini stand lediglich ein verlassenes Wohnmobil auf dem Parkplatz. Kein Wunder, denn einen Strand gab es hier nicht. Stattdessen war der Deich im unteren Drittel mit einer abschüssigen grauen Betondecke befestigt: eine hässliche, ganz und gar unattraktive Ecke, in die sich so schnell kein Badegast verirrte.
    Vor ihnen erstreckte sich das Watt, ebenso grau und unwirtlich; lediglich hier und da von ein paar silbrig glänzenden Prielen durchsetzt. Schwärme von Möwen balgten sich um Taschenkrebse und anderes Kleingetier.
    Bis zum Horizont war kein Mensch zu sehen.
    Â»Malin! Ist doch Unsinn, dass du mitkommst!«, sagte Anatol. »Lauf runter zur Zufahrtsstraße und fahr zurück. Ich schaff das schon alleine.«
    Â»Kommt gar nicht infrage. Mitgehen ist immer noch besser als dasitzen und sich Sorgen machen.«
    Â»Und wenn das Wasser steigt?«
    Â»Sieht nicht danach aus.« Sie deutete auf einen Mann in leuchtend gelber Wetterjacke, der in einiger Entfernung begonnen hatte, den Beton-Hang herunterzuklettern.
    Â»Guck mal! Wer bei dem Wetter ’ne Wattwanderung macht, muss schon ’n Profi sein, oder?«
    Â»Glauben Sie mir, ich hab in den letzten fünfzehn Jahren genug Zeit gehabt, über alles nachzudenken«, sagte Christina Kowalski und musterte den jungen Mann, den man ihr als Rechtsbeistand zugeteilt hatte, kritisch von oben bis unten: Nackenzopf, verwaschenes Sweatshirt, Khakihosen, die offensichtlich schon einiges hinter sich hatten, und nackte Füße in exotisch anmutenden Flecht-Sandalen. Weder Nerd-Brille noch Anzug noch Streifenkrawatte, und das Dr. jur. auf seiner Visitenkarte roch geradezu nach frischer Druckerschwärze.
    Sie beschloss, Dr. J. Dürkheim zu vertrauen.
    Â»Wissen Sie, Herr Dr. Dürkheim …«
    Â»Jannis.«
    Â»Wissen Sie, Jannis, ich hab mich damals im Zuge meiner Magisterarbeit mit der – damals zumindest noch – steigenden Anzahl von Drogentoten in deutschen Großstädten befasst. Und ich hab natürlich auch vor Ort recherchiert. In der entsprechenden Szene.«
    Â»Und daraus hat man gefolgert, dass
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