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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)
Autoren: Antje Wagner
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haben. Er war viel jünger als sie und hatte keine Heiratsabsichten – was unter ägyptischen Gesichtspunkten inakzeptabel war.
    Etwa zu dem Zeitpunkt, als der Dauerhusten begann, schickte ihre Schwester ihren Sohn Philemon, der ein herzensguter, weicher Junge war, öfter zu ihr. Er war denkbar ungeeignet für den Spitzeldienst und beichtete sofort, dass seine Mutter ihn gebeten hatte, sie auszuhorchen.
    Was ihm furchtbar leid tue.
    „Ich weiß nicht, was sie hat, Tante Anastasia, du bist doch ganz in Ordnung. Nur zum Arzt solltest du mal gehen. Und das Rauchen …“
    Anastasia war ihrem Neffen sehr dankbar, dass er sie so häufig besuchte, sie sprachen ägyptisch, was herrlich war, auch für ihn. Die Muttersprache ließ ihr Herz aufgehen, selbst wenn sie längst auf Deutsch träumte.
    Ihr Husten wurde immer schlimmer und dazu plagten sie immer größere Ängste. Sie wusste nicht, wovor, ahnte aber, dass sie mit Walid zu tun hatten. Nachts wachte sie schweißgebadet auf und hörte ihr Herz rasen. Wieder und wieder träumte sie von seinem kalten Blick.
    Philemon drängte sie schließlich, einen befreundeten Arzt aufzusuchen.
    „Es ist das Herz“, sagte der Mediziner bedauernd, verschrieb ihr starke Medikamente, empfahl eine Kur und regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Von einem Kairobesuch riet er ihr ab.
    Nun hatte sie der Schwester gegenüber eine noch bessere Ausrede.
    Eine Kur kam überhaupt nicht in Frage.Die Vorstellung, sich in eins dieser Gesundheitszentren einsperren zu lasen und mit dem Rauchen aufhören zu müssen, lösten bei Anastasia neue Ängste aus.
    Die Medikamente beschwichtigten das schlimmste Symptom, die Angst. Doch das reichte nicht.
    Der Herzinfarkt erreichte sie auf der Treppe zu ihrer Wohnung. Mit letzter Kraft schaffte sie es, einen Notarztwagen zu rufen.
    Sie sah Walid nur von weitem. Vor einem Ärztehaus am Neumarkt stand er und suchend schaute er umher. Anastasia schloss die Augen, um zu überprüfen, dass sie sich nicht täuschte. Doch beim Wiederöffnen musste sie feststellen, dass er wirklich dort stand.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. War er wegen seiner schmutzigen Geschäfte in Deutschland? Hatte er eine andere Verbündete gefunden? Eine Araberin? Wenn ja, kannte Anastasia sie mit Sicherheit.
    Sie warf die Zigarette weg und eilte in die Bibliothek gegenüber, er durfte sie nicht sehen, und an der Art, wie die Bilder vor ihren Augen schwankten, nur ganz leicht, wusste sie, dass sie bald scheußliche Gewissheit haben würde. In ihrer Brust stolperte das Herz mit schweren Schritten aufwärts. Anastasia dachte für einen kurzen Moment an den Herzinfarkt und die damit verbundenen Strapazen. Sie setzte sich in eine versteckte Ecke im Zeitungsraum, tat so, als würde sie lesen, und schloss die Augen wieder.
    Ihr Herz war wie in einem Käfig; sie bekam kaum Luft.
    Dann begann sie zu sehen. Und das, was sie da voraussah, war grauenhaft.
    Ein blutiges Verbrechen.
    Anastasia unterdrückte einen Schrei und versuchte die Lider zu öffnen, doch es war nicht möglich.
    Der Tatort war Kairo. Das Opfer ein Mädchen. Blut.
    Irgendwann, es schien eine Ewigkeit zu sein, wurden ihre Lider leichter. Und es ging vorbei. Sie verfluchte ihre Hellsichtigkeit. Ihr war hundeübel geworden. Sie öffnete die Augen und schaute sich um.
    Sie war nicht in Ägypten, und wie ein Pfeil schoss die Erkenntnis in ihr Hirn, dass Walid es auch nicht war. Dafür gab es nur zwei Erklärungen:
    Er hatte das Verbrechen bereits begangen.
    Oder er würde es noch begehen.
    Das durfte nicht geschehen. Anastasia musste das verhindern.
    Nein, nicht sie, jemand anders musste es für sie tun, denn Anastasia wusste, dass sie einen Kairobesuch eventuell nicht überleben würde.
    Doch wie? Sollte sie ihre Schwester anrufen, ihr von der Vorhersehung berichten und von der ganzen Geschichte mit Walid? Das war unmöglich, Nadja würde nichts mit diesen Dingen zu tun haben wollen, auch wenn sie, Anastasia, ihr von all ihren Vorhersehungen erzählt hätte. Es war ein sehr schöner Abend gewesen, kurz nach dem Tod ihres Vaters. Aber Nadja hatte sie dennoch nur ungläubig angeschaut. Nadja kam nicht in Frage, überhaupt konnte es niemand aus Kairo sein.
    Anastasia erhob sich schwerfällig vom Stuhl und lief zum Eingang der Bücherei. Mit letzter Kraft schleppte sie sich in ihre nahe gelegene Wohnung und legte sich aufs Sofa. Kleine Blitze schossen vor ihren Augen vorbei. Es war lächerlich. Sie hatte den Schneid und die Ehre, ein
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