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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)
Autoren: Antje Wagner
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Aber dennoch war es eine Frechheit, was diese Frau sich herausgenommen hatte. Gedemütigt hatte sie ihn. Strafmildernd. Unverschämtheit!
    Doch nun konnte sie ihn nicht mehr anzeigen. Sein Schwager hatte den Tod festgestellt. Außer ein paar blonden Haaren war ihm nichts aufgefallen.
    Tot. Nicht ermordet. Und trotzdem quälten ihn seine Schuldgefühle.
    Hala Habidi war gerade beim Besichtigen eines Büroraums in Ehrenfeld, als ihr Handy klingelte. Nummer unterdrückt. Vielleicht unverhoffte Kundschaft, dachte Hala, die gern fremde Betten observierte. Zumindest von außen. Der Ausblick des Raums war sehr gut. Die Elstern wilderten in der Weide auf dem Hof, die Äste sahen aus wie Verlängerungen ihrer Federn, eine grüne Königin. Ein idealer Tag eigentlich, um sich in ein Café zu setzten und vorbeilaufende Kölner in Hektik zu beobachten. Aber sie brauchte das Büro dringend. Seit einiger Zeit hatte Hala Habidi Fälle zugetragen bekommen: „Kannst du nicht mal meine Freundin …?“ „Ich glaube, er betrügt mich.“
    Hala liebte das Schnüffeln. Schon von jeher. Nie würde sie vergessen, wie sie einmal als Kind in einem Pornoheft des Vaters dessen Schwager erkannt hatte, in einer ihr unerklärlichen Pose, nackt, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Was hatte das zu bedeuten? Es hatte tagelang Hausarrest gegeben und unter Androhung schlimmster Strafen hatte man ihr das Versprechen abgerungen, nie ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. Aber gelauscht hatte sie. „Ein Schwein“, sagte ihre Mutter, „der kommt nicht mehr in unser Haus.“ Hala wusste, wer gemeint war. Ihr netter Onkel Brahim, der schon häufiger von Mama beschimpft worden war. Mal war er ein Schwein, mal ein Hammel. Und auf keinen Fall ihr Bruder. Hala fand das gemein, denn sie mochte den Onkel. Nur, dass er seine kleine Tochter, Halas Cousine, an einen Freund in den Libanon verschenkt hat, störte sie dann doch. Das war auch eine ihrer Aufgaben. Verschwundenes Leben wieder auffinden.
    Hala hatte eine untrügliche Nase für das, was sie nicht wissen sollte. Geheimnisse. Sofern sie eines witterte, kam eine Neugierde in Gang, die geradezu übernatürliche Formen annahm. So war das immer gewesen. Zum Leidwesen ihrer Eltern, Kollegen und schließlich auch Freundinnen.
    Nichts konnte man vor ihr verbergen, kein Weihnachtsgeschenk, keinen Versicherungsbetrug, keinen unbedeutenden Seitensprung.
    Deswegen war es für Hala auch besser gewesen, wieder allein zu sein.
    Mit der Liebe hatte sie abgeschlossen, zumindest hatte sie sich das nach der letzten Katastrophe vorgenommen. Hier und da eine ungefährliche heiße Liebschaft, dagegen war nichts einzuwenden. Zumal sie sich dafür nicht besonders anstrengen musste. Die Liebschaften flatterten ihr zu wie die Amseln ihrem Balkon. Obwohl nicht das zu holen war, was sie suchten. Nicht dass Hala besonders hübsch gewesen wäre. Wenn sie genau überlegte, sah sie aus wie hunderte andere Frauen auch. Kurzhaarfrisur, ansehnliche dunkle Augen, sportliche Kleidung. Nur war sie vielleicht ein wenig größer, und alles, was an durchschnittlichen Frauen grau und gelb und rosa war, war an ihr milchkaffeebraun. Mehr nicht. Hala achtete peinlich darauf, sich nicht zu verlieben. Nach zwei, drei Treffen brach sie den Kontakt ab. Bisher war ihr das blendend gelungen, worauf sie stolz war.
    „Hier ist Philemon aus dem Zentrum.“
    Ah, einer von unserer Fakultät, würde ihre Kollegin sagen.
    Unsereiner. Die Elstern kreischten sehr laut. Blasiertes Vogelvieh.
    „Einen Moment, bitte“, sagte Hala zu dem Vermieter.
    „Ich muss dich sprechen. Können wir uns in einem Café treffen?“
    Ich wüsste eigentlich nicht, wieso, dachte Hala irritiert, doch irgendetwas ließ sie unsinnig nicken.
    Das, was er Zentrum nannte, war das Rubicon, ein Treffpunkt und Beratungszentrum, in dem sie kürzlich den aus Ägypten stammenden Philemon kennengelernt hatte. Er hatte einen Vortrag über die Lage der Homosexuellen in Ägypten gehalten und sie danach angesprochen. Er war ein feiner Pinkel. Ein Ingenieur. Zu fein, meinte Hala.
    Eigenartige Stimmung, die durchs Telefon kletterte. Hala sagte ja. Dieser Anruf hat ungeahnte Konsequenzen, dachte sie plötzlich. In einer halben Stunde im Goldmund . Vorher fiel der Blick wieder ins Büro. Es war passend, aber zu teuer. Hala hatte sich zwar entschlossen, ihr geregeltes Berufsleben aufzugeben und ihre bisher unterdrückte Neigung zum Schnüffeln voll auszuleben. Nur Geld war keins vorhanden. Also
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