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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)
Autoren: Antje Wagner
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einen gespielten Knicks.
    „Du?“
    Sie nickte. „Wollen wir Freunde sein?“, fragte sie noch einmal. Wie damals in Halbreich. Sie streckte mir ihre Hand hin und sagte: „Ich bin Polly.“ Und als ich einschlug, spürte ich es: Dies hier war der Anfang von etwas, was Ina und Carsten nicht zähmen konnten.
    Schritte kamen die Treppe hoch, und Polly, die die Panik in meinem Gesicht gesehen haben musste, sprintete zur Gaube, sprang aufs Klavier und zog sich mühelos hoch und aus der winzigen Luke hinaus in den Baum. Leicht und schnell wie ein Gedanke. Nur das Laub des Eierpflaumenbaums raschelte und bewegte sich noch.
    Als die Tür aufging und Ina hereinkam, sich geräuschvoll in meinem Zimmer bewegte, Staub saugte, ein Buch über Energie und Atomkraft aufs Klavier legte und dann all meine Sachen berührte, sah ich zum leise zitternden Baumlaub am Fenster, das aussah, als würde es mir zuzwinkern, und fühlte mich plötzlich leicht. Fast glücklich.
    - - -
    Ich schlief den ganzen Tag, und in der Nacht fing ich an zu fiebern. Ich warf mich im Bett hin und her, während das Gasthaus unter den Schritten der Tanzenden vibrierte. Ich schnappte nach Luft, ich schwitzte und spürte die Bässe, die von unten durchs Gemäuer stiegen und durch die Bohlen, das Bett und die Matratze hindurch in meinen Körper drangen, sich mit meinem Herzschlag vermischten, meinem Atem.
    Der Schlaf hatte mich geschluckt. Ich sah Polly unten im Garten. Es gibt diese Träume, in denen man genau weiß, dass man träumt. Polly war im Geräteschuppen. Kam mit etwas Großem, Glänzenden wieder heraus. Stand jetzt auf der Schotterstraße vorm Haus, winkte mir. Mir? Wo war ich eigentlich? Es gibt diese Träume, da weiß man ganz genau, dass man alles tun kann, eben weil es ein Traum ist. Ich stand auf dem Klavier zur Gaube, zog mich hinaus, breitete meine Arme aus und flog. Ich flog Polly hinterher. Zu den Wiesen. Der Mond schüttete sein Licht über die Wiesen, freigebig, maßlos, was mich an die Nächte mit Karina und Jamie erinnerte, und mein Herz zum Ziehen brachte. Zugleich machte es mich wütend, während alles so merkwürdig bleich war unter mir, fremd, wie verschoben. Ich sah den Kiosk unter mir, diesen Glaspavillon mit knochenweißen Holzstreben, dessen Scheiben im Mondlicht aufglitzerten wie Wasser. Ich sah Polly etwas Großes durch die Luft wirbeln, es war aus Metall, eine Box, ein Kanister? Sie tänzelte um den Pavillon herum und schwenkte das Ding immer in diese Richtung. Ich flog über allem, zog Kreise und lachte und lachte, denn es sah einfach zu lustig aus, wie Polly da wirbelte. Dann war die Box plötzlich weg, und sie hatte etwas anderes in der Hand, einen Spaten? Einen Stab? Eine Axt? Und plötzlich schossen Flammen in die Luft, und ich fegte durch sie hindurch, und ein funkelndes Lachen zuckte vom Himmel wie ein Blitz und zertrümmerte weißes Holz, immer wieder weißes Holz, und hunderte kleine Explosionen zerschossen die Stille, und über allem der Mond, dieser Mond, so ein unglaublicher Mond.
    - - -
    Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, musste ich sofort wieder lächeln. Ich fühlte eine neue Kraft in mir. Dabei taten meine Hände und Füße irgendwie weh. Ich sah meine Hände an, sie waren rot und hatten Bläschen. Eine Allergie wahrscheinlich, dachte ich. Ich hatte keine Lust mehr, krank zu sein. Ich war gesund!
    Ich schlug die Decke zurück, wollte aufstehen, sah auf mein Bettlaken. Auf die Schlammspuren, den Dreck. Vor dem Bett lagen meine Sachen. Die Jeans, das knallblaue Supergirl-Shirt. Ich hob sie ans Gesicht und roch Rauch.
    - - -
    „Mila! Was machst du so lange da drin!“ Ina hämmerte gegen die Badezimmertür.
    Ich hatte das Bad versperrt, hatte das Bettzeug und meine Klamotten in die Waschmaschine gestopft, Pulver in das Fach geschüttet und auf Start gedrückt, hatte mir eine Wanne voll Wasser eingelassen, den Verband abgenommen und war unter dem Schaum verschwunden. Das tat gut. Ich atmete aus.
    Die Schlammspuren waren natürlich von Polly. Als sie sich gestern nackt und dreckig in mein Bett gelegt hatte.
    „Mila!“
    „Ich bade! Ich hab in der Nacht total geschwitzt!“
    „Komm raus, es ist etwas passiert!“
    Mir doch egal, dachte ich und lauschte, wie Ina wieder nach unten ging. Und wie dann in der Küche ein Streit losging, ein Schreien und Schimpfen, und da wusste ich wieder, dass es das gewesen war, was mich geweckt hatte. Das Gebrüll.
    „… selber Schuld. Wer kommt auch auf die
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