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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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als wäre er ein Transvestit und leitete einen Friseur‐
    salon.
    «Wie es so geht ...» Jeffrey zuckte die Achseln, was ihm noch immer Schmerzen bereitete. Er wollte sich nicht daran gewöhnen, den Arm in der Schlinge zu tragen, und
    Sara musste ihn morgens praktisch dazu zwingen.
    «Ich frage mich, was mit den Briefen passiert ist, die
    Eric mir angeblich geschrieben hat.»
    «Vielleicht hat Lane sie einfach nicht abgeschickt»,
    mutmaßte Sara.
    «Sähe ihr ähnlich.»
    «Nicht mal darüber wollte Sonny reden?»
    «Nein», sagte er. «Das Militär nimmt ihn sich vor, so‐
    bald das Zivilgericht mit ihm fertig ist. Seit Lanes Tod galt er als fahnenflüchtig. Wahrscheinlich hätten sie sich nicht weiter darum gekümmert, wenn er nicht...»
    Sara sah zum Friedhof. «Ich hatte sie ganz vergessen»,
    gestand sie. «Ich war so fertig, als wir endlich wieder in Grant County waren, und danach habe ich all die Jahre nie
    wieder einen Gedanken an sie verschwendet.»
    «Vielleicht hätte ich Lane die Wahrheit sagen sollen»,
    sagte er. «Gott, sie hat mich wirklich gehasst.»

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    «Sie hätte dir ohnehin nicht geglaubt», wandte Sara ein.
    Lane Kendalls Leben war von Hass und Misstrauen ver‐
    giftet gewesen. Nichts, was Jeffrey gesagt hätte, hätte das
    geändert. Und doch war es Sara gar nicht recht gewesen,
    dass Hoss sein Geheimnis mit ins Grab genommen hatte.
    Zugegeben, Jeffreys Argumente waren überzeugend. Sich
    mit Reggie Ray zusammenzusetzen und ihn von Hoss'
    Geständnis zu überzeugen, wäre ein hartes Stück Arbeit
    gewesen. Ohne konkrete Beweise hätte niemand Jeffrey
    geglaubt, erst recht nicht, nachdem Robert von der Bildflä‐
    che verschwunden war.
    Doch Sara glaubte, der wahre Grund für Jeffreys Schwei‐
    gen lag darin, dass er keine Beschuldigungen gegen Hoss
    vorbringen wollte, weil sich der alte Mann nicht mehr
    verteidigen konnte. Am Ende fiel es ihm leichter, weiter‐
    hin die Schuld auf sich zu nehmen, als mit der Wahrheit alles wieder aufzuwühlen. Jeffrey lebte nicht mehr in Sylacauga, er musste diese Schlacht nicht mehr schlagen. Die
    Menschen, die ihm etwas bedeuteten, wussten, was wirk‐
    lich passiert war, und die anderen lebten ihr Leben weiter wie zuvor. Reggie Rays Bericht, dass der Sheriff sich beim Reinigen der Waffe selbst erschossen hatte, wurde von
    keinem angezweifelt. Der Mord an Julia Kendall blieb wei‐
    terhin ungeklärt.
    Jeffrey zupfte an der Armschlinge. «Verflucht, ich hasse
    dieses Ding.»
    «Du musst es aber tragen», sagte Sara ernst.
    «Es tut nicht mehr weh.»
    Sie streichelte ihm den Nacken. «Ich will aber, dass du
    den Arm benutzen kannst.»
    «Wirklich?», fragte er mit einem Anflug seines alten
    verschmitzten Lächelns.

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    Sie wünschte sich so sehr, das er wieder gesund wurde.
    «Und die Hand.»
    «Du stehst also auf diese Hand?»
    «Auf beide», sagte sie.
    «Weißt du noch», begann er, «wann du mir das erste
    Mal gesagt hast, dass du mich liebst?»
    «Hmmm ...» Sie tat, als müsste sie nachdenken.
    «Wir waren gerade in Grant County angekommen»,
    sagte er. «Weißt du noch?»
    «Ich hab meine Strandsachen ausgepackt», sagte sie,
    «und als ich mich umsah, warst du nicht da.»
    «Genau.»
    «Und als du zurückkamst und ich dich fragte, wo du
    warst, hast du gesagt –»
    «Dein Mülleimer stinkt, als wäre was darin gestor‐
    ben.»
    «Und ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe.»
    «Das war wohl das erste Mal, dass jemand für dich den
    Müll rausgetragen hat.»
    «Stimmt», gab sie zu. «Und seitdem bist du der Einzige,
    der das für mich tun darf.» Jetzt lächelte er sie ehrlich an, und ihr Herz machte einen Sprung. «Ich will nichts mehr, als dich lieben.»
    Sein Lächeln ließ nach. «Was hält dich davon ab?»
    «Nein, nein», sie versuchte, sich klarer auszudrücken.
    «Ich habe mich so lange dagegen gewehrt. Seit ich dich
    kenne, habe ich dagegen gekämpft, mich in dich zu verlieben. Ich wollte nicht, dass ich dich brauche.»
    «Was hat sich geändert?»
    Ihre Antwort war einfach. «Du.»
    «Du nicht», sagte er. «Du hast dich nicht verändert,
    meine ich.»

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    «Wirklich?» Sie fragte sich, wie er es schaffte, das wie ein Kompliment klingen zu lassen.
    «Das musstest du gar nicht», sagte er. «Du warst schon
    perfekt.»
    Jetzt lachte sie laut. «Sag das meiner Mutter.»
    Er wartete, bis sie zu lachen aufhörte. «Danke.»
    «Wofür?»
    «Dass du gewartet hast, bis ich erwachsen geworden
    bin.»
    Sie berührte seine Wange.
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