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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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du nicht machen. Du
    richtest mich zugrunde. Du weißt, was passiert, wenn du
    rausgehst und ... bitte, Slick. Tu das nicht.» Er machte einen Schritt auf Jeffrey zu. «Da kannst du mir auch gleich die Pistole an die Schläfe halten.» Er versuchte ein müdes Lächeln. «Komm schon, mein Sohn. Schau mich nicht so
    an.»
    «Sie anschauen?» Jeffrey legte die Hand auf den Tür‐
    knauf. «Ich ertrage Ihr Gesicht nicht mehr.»
    Obwohl er die Tür nicht hinter sich zuknallte, dröhnte
    es in seinem Kopf. Sara stand mit fragenden Augen auf.
    Jeffrey wusste nicht, was er sagen sollte. Es gab keine
    Worte, die ausdrückten, was er fühlte.
    «Alles in Ordnung?», fragte sie. Ihre Sorge fühlte sich
    besser als alles an, was sie bisher für ihn getan hatte.
    «Er ist zu mir gekommen, als mein Dad verhaftet wur‐
    de», erklärte Jeffrey.
    «Hoss?»
    «Ich war in Auburn, kurz vor dem Examen. Ich weiß es
    noch genau –» Er brach ab, dachte an das bunte Laub der Bäume an jenem wunderschönen Herbsttag. Jeffrey hatte
    in seinem Zimmer im Wohnheim gesessen und sich den
    Kopf zerbrochen, wie er das Geld für die Promotion auf‐
    treiben würde, wenn er in Auburn angenommen wurde.
    Er wollte Lehrer werden, ein ehrenhafter Beruf mit einem

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    geregelten Einkommen. Er wollte der Welt etwas zurück‐
    geben.
    «Er hat an die Tür geklopft», erinnerte er sich. «Nie‐
    mand klopft im Wohnheim an. Die Leute kommen einfach
    rein. Ich dachte, jemand will mir einen Streich spielen.»
    Er lehnte sich an die Wand. «Doch er hat geklopft, und
    schließlich habe ich die Tür aufgemacht, und da stand er mit diesem Blick. Hat mir erzählt, dass mein Vater einen Deal mit der Staatsanwaltschaft gemacht hätte. Dass er
    seine Freunde verpfiffen hätte, damit er nicht zum Tod
    verurteilt wird. Weißt du, was er gesagt hat?»
    Sara schüttelte den Kopf.
    «‹Was für ein Feigling.› Dann hat er zu mir gesagt, ich müsse jetzt ein Mann sein, mit dem Vergnügen sei es nun vorbei. Als wäre ich zum Vergnügen aufs College gegangen. Er gab mir die Bewerbung. Hatte sie schon ausge‐
    füllt.»
    «Für die Polizei‐Akademie?»
    «Ja», er nickte. «Ich nahm sie und unterschrieb, und das war's dann.» Zum ersten Mal in seinem Leben fragte sich
    Jeffrey, was aus ihm geworden wäre, wenn er nein zu Hoss
    gesagt hätte. Beispielsweise hätte er Sara nicht kennen ge‐
    lernt. Wahrscheinlich wäre er immer noch in Sylacauga
    und hätte mit den ewigen dummen Sprüchen und Bemer‐
    kungen zu kämpfen, die Robert schließlich in die Flucht
    getrieben hatten.
    Er sagte: «Ich weiß nicht, wie ich das hier überstehen
    soll.»
    «Ich bleibe, solange du mich brauchst.»
    «Ich kann nicht einmal daran denken», sagte er, und es
    war die Wahrheit. Wie sollte er das fertig bringen? Wie
    konnte er wiederholen, was Hoss eben gesagt hatte?

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    «Alles wird gut», sagte sie. Im selben Moment fiel ein
    Schuss in Hoss' Büro.
    Jeffrey war wie versteinert, er konnte sich nicht rühren.
    Doch irgendwie schaffte er es schließlich, sich umzudre‐
    hen. Sara musste die Tür aufgemacht haben, und Jeffrey
    sah den alten Mann in seinem Sessel, eine Hand auf der
    Flagge seines Bruders, in der anderen den Revolver. Er
    hatte sich die Mündung an den Kopf gehalten und den Ab‐
    zug gedrückt. Es bestand kein Zweifel, dass er tot war, doch
    Jeffrey sah Sara fragend an, als sie um den Tisch herumging und nach einem Puls suchte.
    «Es tut mir Leid», sagte sie. «Er ist tot.»

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    KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

    15.50 Uhr

    cheiße», fluchte Lena, doch sie versuchte, die Hand ru‐
    Shig zu halten, als Molly die Spritze in die Wunde stach.
    «Tut mir Leid», murmelte Molly und beobachtete über
    Lenas Schulter hinweg Sara und Jeffrey.
    Lena sah ebenfalls zu, wie Jeffrey in den Krankenwagen
    getragen wurde. «Wird er wieder gesund?»
    Molly nickte. «Ich hoffe es.»
    «Und Maria?»
    «Sie wird gerade operiert. Maria ist alt, aber zäh.» Sie richtete den Blick wieder auf Lenas Hand. «Das brennt
    jetzt ein bisschen.»
    «Was du nicht sagst», stöhnte Lena. Die verdammte
    Spritze tat mehr weh als das Messer.
    «Das lindert die Schmerzen, damit ich nähen kann.»
    «Mach schnell», sagte Lena und biss sich auf die Lippe.
    Sie schmeckte Blut, und ihr fiel wieder ein, dass ihre Lippe aufgeplatzt war. Molly stach noch einmal zu. «Verdammt,
    das tut weh.»
    «Nur noch ein bisschen.»
    «Verdammt», wiederholte sie und wandte den Blick von
    der Spritze ab. Sie sah, wie
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