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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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aus.
    Vorsichtig stehe ich auf. Mein Hirn wackelt nicht mehr ganz so doll, aber es fühlt sich immer noch an wie in Watte gepackt. Auf zittrigen Beinen gehe ich zur Tür hinüber und lege die Hand auf die Klinke. Die Form liegt ungewohnt in meinen Fingern.
    Was ist dahinter?
    Wieder steigt die Angst in mir hoch, aber diesmal gelingt es mir nicht, sie wegzuatmen. Sie bleibt einfach da.
    Ich schließe die Augen, öffne sie wieder. Und dann drücke ich die Klinke herunter.
    Die Tür bewegt sich nicht.
    Ich bin eingeschlossen!
    Warum?
    Was ist bloß passiert?
    Ich klopfe gegen die Tür, dann schlage ich mit beiden Fäusten gegen das Holz. »Hallo! Hört mich niemand? Hallo!«
    Ich lasse die Hände sinken. Mein Kopf ist immer noch wie mit Watte gefüllt, aber noch während ich auf die Holzmaserung starre, erinnere ich mich plötzlich: der Junge! Der Junge mit den schönen, traurigen Augen. Und der Lieferwagen. Und dieser ältere Typ, der, der Schiefschlips Geld gegeben hat.
    Und dann war alles schwarz geworden.
    Bin ich umgekippt?
    Aber dies hier ist eindeutig kein Krankenhaus.
    Ich atme tief ein. Erst jetzt merke ich, dass es seltsam riecht. Trocken, erdig irgendwie. Seltsam, aber nicht schlecht. Ein bisschen so wie im Häuschen von meiner Oma. Von Oma Jovana. Der Mutter meines Vaters.
    Komisch, dass ich mich daran erinnern kann! Ich war bestimmt zehn Jahre nicht mehr dort. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich sechs war, und seitdem bin ich nie wieder bei Oma Jovana gewesen. Bei den Eltern meiner Mutter übrigens auch nicht. Mama hat sich mit ihren Eltern zerstritten, wegen meines Vaters, und danach war ich auch dort nie wieder. So richtig hab ich nie verstanden, warum, aber egal.
    Na ja, egal ist es mir nicht.
    Aber jetzt gerade ist es mir egal.
    Ich drehe mich um.
    Das Fenster! Ganz langsam gehe ich hinüber und schiebe die Vorhänge beiseite.
    Klar, deshalb ist es so dunkel! Von draußen sind die Fensterläden vorgeschlagen. Durch die schmalen Schlitze zwischen den Holzlamellen kann ich im schwachen Licht nur ein Stückchen Boden erkennen  – braune, staubig aussehende Erde, ein paar Grashalme darauf. Irgendwas liegt da auch herum, aber was, kann ich durch die kleinen Ausschnitte nicht erkennen.
    Und weil es fast dunkel ist draußen. Nicht ganz, aber fast. Also muss es ungefähr acht sein. Oder kurz davor oder danach. Gegen acht, erinnere ich mich, gegen acht geht momentan die Sonne unter, um halb neun wird es dunkel.
    Oder ist das hier in Ungarn anders?
    Aber da draußen scheint eine Lampe in der Nähe zu sein. Von irgendwo kommt nämlich Licht. Ich betrachte das Fenster genauer. Es ist ein Schiebefenster, jedenfalls soweit ich erkennen kann, und es lässt sich nicht öffnen. Dann sehe ich auch, warum: Jemand hat es mit zwei Schrauben rechts und links fixiert.
    Plötzlich bekomme ich Platzangst. Die Luft fühlt sich auf einmal stickig an.
    Und das Zimmer ist so klein.
    Dann entdecke ich das schmale Klappfenster oben über dem Schiebefenster. Es ist einen Spaltbreit geöffnet, und ich halte die Luft an und lausche.
    Ganz leise kann ich ein Rauschen hören. Sind dasBäume, durch die der Wind fährt? Oder ist es Autoverkehr?
    Ich schließe die Augen. Da ist noch ein Geräusch. So etwas wie ein Motor, weiter entfernt. Oder ein Generator. Eine Klimaanlage.
    Und etwas tropft. Ein Wasserhahn?
    Und ein Brummen, ganz leise. Aber das ist vielleicht bloß in meinem Kopf.
    Ich mache die Augen wieder auf.
    Das Fensterglas sieht alt aus.
    Vielleicht kann ich es einschlagen.
    Und dann?
    Dann sind immer noch die stabilen Holzläden davor.
    Scheiße.
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und greife nach der Vorhangstange. Probeweise rüttele ich daran, dann lasse ich wieder los. Es hat keinen Zweck. Die Stange hält gerade mal den Vorhang, unter meinem Gewicht würde sie sofort zerbrechen.
    »Hallo?«, rufe ich. »Hallo? Hilfe!«
    Nichts. »Hilfe!«
    Meine Stimme klingt furchtbar einsam.
    Und dann kommt die Angst in einer riesigen, alles verschlingenden Welle über mich und reißt mich mit.
    Aber nur kurz, denn einen Moment später geht hinter mir die Tür auf.
    Ich fahre herum.
    Auf einmal ist alles in einen gelblichen Schein getaucht. Das Zimmer, die Tür, die jetzt geöffnet ist. Und der Mann, der im Türrahmen steht.
    Er ist nicht besonders groß und weder alt noch jung, und er lächelt mich an, aber etwas an diesem Lächeln macht, dass ich mich schlagartig noch mehr zu fürchten beginne.
    Erschrocken weiche ich
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