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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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bleibe ich auf der Liege sitzen, meinen Rucksack fest im Arm.
    In beiden Händen trägt die alte Frau das Tablett, und darüber hinweg lächelt sie mich an, mit einem zahnlosen Grinsen, das mich komplett durcheinanderbringt. Eine alte Frau, die tut mir nichts, oder? Überhaupt, eine Frau, das ist schon mal gut!
    Obwohl, auch Frauen können übel drauf sein. Beidiesen Kinderschänderringen, da sind immer auch Frauen dabei. Damit die Kinder weniger Angst haben.
    Ich muss schlucken.
    Aber bestimmt nicht so alte Frauen, oder?
    Diese alte Frau, die jetzt vorsichtig das Tablett neben mir auf der Liege abstellt und mir freundlich zunickt, diese Frau kann mir doch wohl nicht ernsthaft was antun?
    Sie ist viel zu alt. Steinalt ist sie, und als sie wieder lächelt, sehe ich auch, dass sie kaum noch Zähne im Mund hat. Höchstens zwei oder drei, und vielleicht noch ein, zwei Stummel dazu.
    Aber möglicherweise habe ich doch alles durcheinandergekriegt, vielleicht gibt es wirklich eine ganz harmlose, logische Erklärung für all dies?
    Aber ich weiß selbst, dass ich mir was vormache. Die alte Frau dreht sich zum Typen um, der immer noch in der Tür steht und uns beide beobachtet, und sagt ein paar Sätze. Ein wenig ärgerlich klingt sie, und der Typ zuckt mit den Schultern, aber dann nickt er und antwortet ihr.
    In was für einer Sprache reden die beiden da eigentlich? Es klingt gar nicht wie Ungarisch. Weicher irgendwie, und ich weiß auch nicht, warum, aber auf eine komische Art kommt mir die Sprache bekannt vor. Als hätte ich sie schon mal gehört.
    Hab ich ja vielleicht auch, im Fernsehen oder so. Keine Ahnung.
    Auf jeden Fall verstehe ich kein Wort.
    Die alte Frau sieht wieder zu mir. Sie lächelt mich an, mit diesem zahnlosen Lächeln, und für einen Moment habe ich nicht mehr solche Angst wie zuvor. Ihr Lächeln kommt mir echt vor, ganz anders als das Lächeln des Typen an der Tür, der immer noch dasteht und uns beobachtet.
    Aber vielleicht täusche ich mich auch.
    » Dobre ?«, fragt die alte Frau, und ich nicke zaghaft. Sie lächelt, dann richtet sie sich langsam auf und tritt zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen. Mit beiden Händen streicht sie ihre Schürze glatt  – ja genau, sie trägt eine Schürze, eine geblümte Schürze und darunter ein langes Kleid, natürlich auch geblümt. Meine Güte, hier ist eigentlich alles geblümt, die Klamotten, die Kleiderbügel, die Tapeten …
    Schon wieder regt sich eine Erinnerung in mir, aber mein Kopf brummt und summt immer noch, und ich kann sie nicht fassen. Mir ist warm und kalt zugleich, und ich ertrage diese beiden Leute nicht länger, die mich die ganze Zeit anstarren. Und mit denen ich mich absolut null verständigen kann. Was wollen sie eigentlich von mir?
    » What do you want from me ?«, sage ich laut und stehe auf.
    Der Typ kommt auf mich zu und macht eine abwehrende Handbewegung. Dann zeigt er auf dasTablett und weist der alten Frau die Tür. Sie lächelt mich noch einmal an, sagt etwas zu dem Typen, dann geht sie schwerfällig hinaus. Er tritt in den Türrahmen zurück und deutet erneut aufs Tablett.
    » Eat! «, sagt er und nickt nachdrücklich. Danach schließt er die Tür, und ich bin wieder allein.
    Die Tränen schießen mir so plötzlich in die Kehle, dass ich schlucken muss. Aber es hilft nichts, ich kann sie nicht wegschlucken. Im nächsten Moment laufen sie mir nur so die Wangen hinunter. Schluchzend sitze ich da und presse mir die Hände vors Gesicht. Und es dauert eine ziemliche Weile, bis die Tränen verebben. Vorsichtig stehe ich auf und gehe auf wackeligen Beinen zum Waschbecken hinüber. Mein Gesicht im Spiegel ist fleckig vom Weinen, und die Tränen haben helle Spuren auf meinen Wangen hinterlassen. Ich beuge mich noch weiter vor und inspiziere meine Haut genauer.
    Ich bin schmutzig! Aber nicht einfach schmutzig, sondern auf meinem Gesicht ist der schmutzige Abdruck einer Hand zu sehen. Er zieht sich quer über beide Wangen und den Mund, und er sieht so aus, wie ihn eine Hand hinterlassen würde, die einem den Mund zuhält.
    Reglos starre ich mir selbst ins Gesicht, dann greife ich nach dem Wasserhahn.
    Und plötzlich erinnere ich mich: der Junge mitden schönen, traurigen Augen, direkt vor mir. Sein Erstaunen, als er mich sah. Der Ausdruck des Erschreckens in seinem Gesicht. Und hinter ihm … der Lieferwagen. Und dieser ältere Typ, der, der dem Fensterputzer Geld gegeben hatte.
    Und dann war alles schwarz geworden.
    Aber nicht
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