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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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was?
    Wieder sehe ich mich im Zimmer um. Der Schrank! Ich stürze hinüber und reiße die Türen auf.
    Nichts. Rechts vier leere Fächer untereinander, links eine Kleiderstange, an der drei Bügel hängen. Bügel, wie ich sie schon mal gesehen habe, ganz früher: mit angerosteten Haken und gepolstertem Holz.
    Unten finde ich eine zusammengefaltete Wolldecke, so eine ähnliche wie die auf der Liege. Kratzig, aus richtiger Wolle, gemustert in der Art eines Flickenteppichs.
    Ich klappe den Schrank wieder zu. Auf dem Waschbeckenrand liegt ein Seifenstück. Und eine Tube Zahnpasta neben einer nagelneuen Zahnbürste, die noch in der Verpackung steckt.
    Was hat dieser Typ mit mir vor?
    Plötzlich muss ich an Natascha Kampusch denken, die junge Wienerin, die als 10-Jährige von einem gestörten Typen verschleppt und achteinhalb Jahre lang gefangen gehalten wurde. In einem Kellerverlies.
    Oder diese Frau, die von ihrem eigenen Vater im Keller eingesperrt wurde und dort über zwanzig Jahre lang leben musste und von diesem Monster sieben Kinder bekam. Auch in Österreich.
    Aber das hier ist kein Keller.
    Nur so etwas Ähnliches.
    Mir wird schlecht, als ich weiterdenke. Menschenhandel? Diese ganzen Mädchen und Kinder aus Osteuropa, die zur Prostitution gezwungen werden.
    Passt das zusammen? Warum ich?
    Ein gruseliges Gefühl steigt in mir hoch.
    Ich darf nicht zu viel Angst haben. Angst lähmt. Das hat mir Mama immer wieder gesagt: »Lass dich von deiner Angst nicht fangen, sonst lähmt sie dich.«
    Ja toll. Und jetzt?
    Mama. Wenn du nur hier wärst!
    Ich stehe da und sehe mich um. In meiner Kehle ist ein Kloß; gleich muss ich weinen. Aber das bringt nichts. Das bringt nichts!
    Und vielleicht … vielleicht gibt es eine ganz einfache Erklärung für all das hier. Vielleicht ist tatsächlich alles in Ordnung. Vielleicht kommt gleich jemand und erklärt mir, was los ist. Und dann lache ich über meine Ängste.
    Kann doch sein. Oder nicht?
    Eher nicht, das ist mir klar. Der Typ ist jedenfalls kein Krankenpfleger, und das tippe ich jetzt mal nicht nur, weil er keine entsprechenden Klamotten anhat. Ich bin also nicht in einem Krankenhaus, auch wenn ich mich total lädiert fühle.
    Mein Blick fällt auf die Liege. Sie ist aus Metall und mit einer dünnen Matratze versehen. Darauf liegt eine Wolldecke, über die ein Laken gezogen ist. Ein weißes Laken, genauso eins, wie es über die Matratze gespannt ist. Es gibt viele Länder, in denen sie keine Bettdecken haben, sondern Decken mit Laken drüber.
    Woher weiß ich das eigentlich?
    Ziemlich schmal ist die Liege, höchstens achtzig Zentimeter breit, wenn nicht weniger. So wie mein altes Kinderbett, das Mama und ich erst neulich entsorgt haben. Was heißt entsorgt – wir haben es ausgetauscht gegen ein breiteres Bett von IKEA.
    IKEA. Mensch, ist das weit weg!
    Die Wasserflasche am Fuß der Liege. Und dahinter … mein Rucksack!
    Ich stürze mich darauf, hebe ihn hoch und ziehe so hastig den Reißverschluss auf, dass er fast klemmt. Während ich den Rucksack eilig durchsuche, setze ich mich auf die Liege.
    Mein Notizbuch ist drin, mein Lieblingsstift, das Buch, das ich gerade lese, ein Krimi. Aber mein Handy ist nicht da.
    Dafür meine Strandsachen: mein Badeanzug, der noch feucht ist. T-Shirt, Slip und Socken zum Wechseln – dazu bin ich allerdings gar nicht gekommen, umgezogen hab ich mich dann doch im Hotelzimmer, mit Klamotten aus meiner Reisetasche.
    Mein Handtuch ist auch drin. Riecht nach Strand. Meine zusammengeknüllte Sweatshirtjacke. Und noch ein Buch: der Gedichtband, den Mama mir zugesteckt hat, bevor sie mich zum Bus gebracht hat.
    Wo ich doch nie Gedichte lese!
    Und mein Geldbeutel. 9000 ungarische Forint stecken darin, umgerechnet ungefähr 30 Euro.
    Na ja, ausgeraubt worden bin ich jedenfalls nicht. Aber was in aller Welt ist passiert?
    Und wo bin ich gelandet?
    Ich lasse den Rucksack sinken.
    Im selben Moment höre ich ein Geräusch.
    An der Tür.
    Der Schlüssel dreht sich im Schloss, dann geht die Tür auf.
    Mein Herz klopft wie verrückt. Das Summen in meinem Kopf wird schlagartig lauter, so laut, dass es wehtut.
    In der Tür steht wieder der Typ und vor ihm ist jetzt eine Gestalt.
    Eine kleinere, gebückt gehende Gestalt, die etwas in der Hand trägt. Ein Tablett.
    Die Gestalt ist eine Frau. Eine alte Frau. Eine richtig alte Frau!
    Auf dem Tablett steht ein Teller mit Essen. Und ein Glas.
    Langsam trägt die alte Frau das Tablett auf mich zu. Wie paralysiert
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