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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart
Autoren: Markus Heitz
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Ich habe ihm einen Hammer geschenkt, mit dem er sich sein Essen zerkleinern kann.«
    Hetrál betrat die Bibliothek und verbeugte sich sehr gekonnt.
    »Ah, unser Meisterschütze aus Tûris«, begrüßte ihn Stoiko, der sich dann sofort zu Lodrik hinüberlehnte. »Er kann auch noch unsagbar gut mit irgendwelchen Wurfwaffen umgehen, wusstet Ihr das, Herr?«
    »Nein. Wie wäre es mit einer Kostprobe?«, forderte der Statthalter.
    Waljakov sah alarmiert auf, als der Stumme Lodrik eine Münze in die Hand drückte und ihm bedeutete, zur anderen Seite des Raumes zu gehen.
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Herr«, sagte er vorsichtig.
    »Ich habe Vertrauen zu ihm«, beschwichtigte Lodrik und hielt das Geldstück in die Luft.
    Aber Hetrál schüttelte den Kopf und zeigte auf den Mund. Gehorsam klemmte sich der junge Mann den Waslec waagrecht zwischen die Lippen.
    Der Leibwächter legte die mechanische Hand an den Säbelgriff.
    Mit einem Mal war die gute Stimmung aus der Bibliothek gewichen und hatte einer seltsamen, greifbaren Spannung Platz gemacht.
    »Und wenn er doch noch auf Kolskois Gehaltsliste steht?«, flüsterte Waljakov Stoiko zu, der mit schmalen Augen die Szenerie verfolgte.
    Langsam hob Hetrál den Arm und visierte konzentriert sein Ziel an. Auch das Misstrauen des Vertrauten war nun geweckt.
    Mit einer kaum nachvollziehbaren Bewegung schickte der Schütze das geschliffene Metallstück auf die Reise. Leise zischend durchquerte es den Raum, Lodrik schrie auf und zog den Kopf zurück.
    Mit einem Satz war der Leibwächter bei dem Turîten und packte ihn an der Kehle, der Säbel flog in die mechanische Hand.
    »Lass ihn, Waljakov«, befahl der Gouverneur. »Es ist nichts passiert, ich bin nur erschrocken.«
    Die Münze war der Länge nach durchbohrt und steckte aufgespießt in der Holzvertäfelung.
    Hetrál lief bereits rot an und tippte immer wieder auf den Arm zum Zeichen, dass der hünenhafte Kämpfer ihn loslassen sollte. Mit einem Knurren stellte der Leibwächter ihn auf den Boden. Der Schütze hustete ein wenig.
    »Es tut mir Leid«, entschuldigte sich Waljakov brummend. »Ich dachte, Ihr wolltet dem Gouverneur ans Leder, weil Ihr doch für Kolskoi gearbeitet habt, und als er eben geschrien hat, dachte ich …«
    Hetrál machte eine beschwichtigende Geste, stapfte zum Tisch und goss sich einen Wein ein, den er herunterstürzte. Dann zeigte er dem Leibwächter den Vogel, während er in den Sessel plumpste.
    »Ein meisterhafter Wurf, Hetrál«, lobte Lodrik die Leistung des Turîten in die Stille hinein. »Kannst du mir so etwas auch beibringen?«
    Der Schütze suchte ein Blatt Papier, tauchte die Feder in das Tintenfass und schrieb etwas auf, das er Stoiko mit einem Grinsen reichte.
    »Mit ihm als Zielscheibe schon«, las er die Antwort vor.
    Der Leibwächter lachte daraufhin dröhnend los. »Es freut mich, dass Ihr meine Entschuldigung annehmt.«
    Das stürmische Klopfen an der Bibliothekstür hörten sie zunächst, dank Waljakovs lauter Belustigung, nicht.
    Ein abgehetzter Bote, flankiert von zwei Wachen, trat daraufhin ungefragt in den Raum und stellte sich neben Stoiko.
    »Verzeiht, hohe Herren und Exzellenz, aber ich habe eine sehr wichtige Nachricht für Stoiko Gijuschka.« Er übergab dem Vertrauten eine lederne, versiegelte Tasche, an der Unmengen von Schmutz und Staub hafteten. »Sie kommt aus Ulsar.«
    Der Vertraute bedeutete dem Boten, sich zu entfernen, danach öffnete er die Tasche und las das Schreiben aufmerksam durch.
    Ganz langsam ließ er das Papier nach einer Weile sinken, schaute abwechselnd zu Waljakov und Lodrik.
    »Was ist los?«, wollte der Gouverneur wissen. »Soll ich an den Hof zurückkommen?«
    »Anders, als Ihr denkt, Herr.« Stoiko sank auf die Knie und beugte das Haupt vor dem jungen Mann. »Der Kabcar ist tot. Lang lebe der Kabcar.«

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