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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart
Autoren: Markus Heitz
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ein, nahm sich einen Schluck Tee und freute sich insgeheim über die Rührung seiner Lebensretterin.
    »Und jetzt erzähle mir alles, was du seither erlebt hast«, verlangte sie und goss ihm eine stark nach Alkohol riechende Flüssigkeit in das heiße Getränk.
    Der Nachmittag verging über die Geschichten und Geschichtchen, die der Rogogarder Laja zu berichten hatte. Von der geheimen Identität des Gouverneurs gab er jedoch nichts preis. Zwischendurch schickte er seine Männer zurück auf die Grazie, wie sein neues Schiff hieß, und gab ihnen den Tag frei.
    Gebannt lauschte Laja, den Kopf auf den Stock gestützt, den Worten des Freibeuters, ohne ihn zu unterbrechen. Gegen Abend erhob sie sich, um die Kerzen anzuzünden, denn die Tage wurden, je weiter es auf den Winter zuging, sehr schnell kürzer und dunkler.
    »Du hast wirklich sehr viel erlebt«, meinte sie zum Schluss. »Aber wann hast du deine Zähne verloren? Du klingst wie eine uralte Frau.«
    »Das verdanke ich dem Leibwächter des Gouverneurs.« Torben hatte die unangenehme Einzelheit zunächst verschweigen wollen, aber da es seiner Lebensretterin ohnehin aufgefallen war, konnte er es ruhig erklären. Er deutete auf die verbliebenen sieben Schneide- und Eckzähne. »Ich schätze mal, das macht mich in der rogogardischen Damenwelt nicht gerade anziehender.«
    Laja lachte. »Es fällt kaum auf, wenn du den Mund hältst«, riet sie ihm. »Ich mache uns noch ein gutes Abendessen. Wann willst du weiter und was hast du vor, zahnloser Freibeuter?«
    »Zahnlos vielleicht, aber nicht ohne Biss. Ich weiß noch nicht«, gestand er. »Das Meer ist weiter südlich voller Palestaner, dort wird mir der ein oder andere schon in die Quere kommen. Verkaufen möchte ich die Sachen weiter oben in Rundopäl. Dort sind palestanische Waren sehr beliebt, gerade wenn sie zu rogogardischen Preisen verhandelt werden. Vielleicht mache ich gemeinsame Sache mit den mutigen agarsienischen Händlern, die sich in das Gebiet gewagt haben. Als Geleitschutz, sozusagen.«
    »Ich wünsche dir auf alle Fälle viel Glück«, meinte Laja sehr aufrichtig und schaufelte ihm eine Kelle Fleischbrühe mit dicken Brocken in den Teller.
    »Den Geruch kenne ich sehr gut. Damit hast du mich wieder auf die Beine gebracht, nicht wahr?« Torben schnupperte geräuschvoll, schob sich einen Löffel in den Mund und schluckte ihn mit sichtlicher Begeisterung.
    »Und man muss nicht sonderlich kauen, weil das Fleisch butterzart ist«, fügte sie listig lächelnd hinzu.
    Provinzhauptstadt Granburg, Königreich Tarpol, Winteranfang 442 n.S.
    In der nächtlichen Bibliothek des Palastes war es still, nur der Wind säuselte im Kamin und drückte die Flammen nieder.
    »Die Männer machen sich immer noch Sorgen, Stoiko.« Waljakov zog den Springer und nahm den Turm vom Feld. »Sie haben nicht vergessen, was der Gouverneur im Kampf gegen die Männer von Jukolenko gerufen hat. Und sie haben das Geheul gehört.«
    Der Vertraute nickte. »Dieser Ton damals ging durch jede Faser meines Körpers, und der einzige, dem es nichts ausmachte, war Lodrik. Glaub mir, ich bestehe ebenfalls nur noch aus Sorgen.« Er schlürfte an seinem Gewürzwein. »Er hat Tzulan um Hilfe angerufen und sie bekommen. Und das inmitten von Ulldraeleichen.« Stoiko setzte seine Dame um und schlug den Springer Waljakovs.
    »Ich habe den Männern erklärt, dass es eine Sumpfbestie war, die in der Nacht und während des Kampfes geheult hat«, meinte der Leibwächter missmutig. »Und wir sollten auch besser daran glauben. Schließlich stand ihm Ulldrael später bei der Hinrichtung bei.« Er sah auf das karierte Brett. »Ich habe keine Lust mehr, du gewinnst ständig.«
    »Aber du bist besser geworden, seit du Hetrál beim Spielen zusiehst«, lobte der Vertraute und lehnte sich in den Sessel zurück, während er den Flammen im Kamin zusah. »Bist du dir sicher, dass es Ulldrael war, der ihn vor dem Blitz bewahrt hat?«
    »Wir sollten, wie ich schon zuvor sagte, nichts anderes annehmen. Welchen Sinn würde diese vage Botschaft des Visionärs sonst machen.«
    Sie schwiegen beide, ohne einander in die Augen zu sehen, aus Angst, etwas wie Zweifel beim Gegenüber zu entdecken.
    »Ich habe natürlich mit Lodrik gesprochen, und er schämt sich ziemlich für die Geschehnisse in dem Wäldchen. Er hat keine Erklärung für den Blutrausch, der ihn überkommen hat. Das Geheul will er nicht gehört haben, und an seine Worte während des Kampfes kann er sich angeblich nicht
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