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Schatten ueber Innsmouth

Schatten ueber Innsmouth

Titel: Schatten ueber Innsmouth
Autoren: H. P. Lovecraft
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Rauschen der Wasserfälle übertönte meine Schritte. Es war noch ein weiter Weg bis zu der Bahnhofsruine, und die hohen Ziegelmauern der Lagerhäuser schienen noch furchterregender zu sein als die Fassaden der Privathäuser. Endlich erkannte ich vor mir die Arkaden des Bahnhofsgebäudes — oder was davon übriggeblieben war und steuerte gleich auf die Gleise los, die am anderen Ende anfingen.
    Die Schienen waren verrostet, aber im wesentlichen noch intakt, und nicht mehr als die Hälfte der Schwellen war verrottet. Auf einer solchen Grundlage zu gehen oder zu laufen, war sehr beschwerlich, aber ich tat mein Bestes und kam recht gut voran. Eine Weile liefen die Gleise am Fluß entlang, doch dann gelangte ich an die lange überdachte Brücke, wo sie in schwindelnder Höhe die Schlucht überquerten. Der Zustand dieser Brücke war ausschlaggebend für meinen nächsten Schritt. Wenn es nach menschlichem Ermessen zumutbar war, würde ich hinübergehen;
    wenn nicht, würde ich mich erneut auf die Straße wagen und die nächste Straßenbrücke nehmen müssen.
    Die riesige, scheunenartige Brücke glänzte in ihrer ganzen Länge gespenstisch im Mondschein, und ich sah, daß die Schwellen zumindest auf den ersten Metern begehbar waren. Also ging ich hinein, knipste die Taschenlampe an und wäre beinahe gestürzt, als mich plötzlich eine Wolke von Fledermäusen umflatterte. Ungefähr in der Mitte der Brücke wiesen die Schwellen eine gefährliche Lücke auf, und ich glaubte schon, ich würde nicht mehr weiterkommen, aber schließlich riskierte ich einen verzweifelten Sprung und erreichte zum Glück unversehrt die andere Seite. Ich war froh, wieder das Mondlicht zu sehen, als ich aus diesem makabren Tunnel auftauchte. Die alten Schienen kreuzten die River Street auf gleicher Höhe und machten gleich darauf einen Bogen in Richtung auf ein zunehmend ländliches Gebiet, in dem der entsetzliche Fischgeruch von Innsmouth zusehends schwächer wurde. Hier behinderte mich das dichte Gestrüpp aus Unkraut und Dornbüschen, und ich zerriß mir die Kleider; doch ich war trotzdem froh, daß sie mir im Falle der Gefahr Deckung bieten würden. Ich wußte, daß ein Großteil der Strecke von der Landstraße nach Rowley her einzusehen war.
    Sehr bald fing das sumpfige Gelände an; das Gleis verlief hier auf einem niedrigen, grasbewachsenen Damm, auf dem das Unkraut etwas weniger dicht wucherte. Dann kam ein Hügel, der wie eine Insel aus dem umgebenden flachen Gelände aufragte. Der Durchstich, den man hier für die Bahnlinie angelegt hatte, war mit Büschen und Dornengestrüpp fast zugewachsen. Ich war sehr froh, wenigstens hier vor Blicken sicher zu sein, denn an dieser Stelle kam die Landstraße nach Rowley, wie ich vom Hotel aus gesehen hatte, dem Bahndamm bedenklich nahe. Am Ende des
    Durchstichs würde sie die Gleise kreuzen und sich von der Bahnlinie entfernen;
    vorerst aber mußte ich besonders vorsichtig sein. Inzwischen konnte ich, gottlob!, sicher sein, daß die Bahnlinie selbst nicht überwacht wurde.
    Als ich unmittelbar vor dem Durchstich angelangt war, blickte ich zurück, konnte aber keine Spur von einem Verfolger entdekken. Die uralten Türme und Dächer des verfallenden Innsmouth schimmerten anmutig und ätherisch im zauberhaft gelben Mondlicht, und ich dachte daran, wie es in früheren Zeiten ausgesehen haben mußte, bevor der Schatten darüberfiel. Als ich dann meinen Blick von der Stadt wieder aufs Land hinauswandern ließ, erregte etwas weniger Friedliches mein Augenmerk und ließ mich einen Moment reglos dastehen.
    Was ich mit Beunruhigung sah oder zu sehen meinte —, war so etwas wie eine Wellenbewegung weit südlich von mir, eine Wahrnehmung, die mich zu dem Schluß kommen ließ, daß eine große Horde die flache Straße nach Ipswich entlang aus der Stadt strömte. Die Entfernung war groß, und ich konnte keine Einzelheiten erkennen; doch das Aussehen dieser Kolonne wollte mir gar nicht gefallen. Sie bewegte sich allzu wellenförmig und glänzte allzu hell im Licht des Mondes, der sich schon nach Westen zu neigen begann. Auch meinte ich Geräusche wahrzunehmen, obwohl der Wind nicht von dorther wehte Geräusche wie von tierischem Krächzen und Brüllen, schlimmer noch als das Gestammel der Gruppen, die ich bisher belauscht hatte. Alle Arten unerfreulicher Vermutungen gingen mir durch den Sinn. Ich dachte an jene extremsten Typen unter den Einheimischen von Innsmouth, die angeblich in den verfallenden,
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