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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman
Autoren: Barbara Wood
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Erster Teil
    Prolog
    Alexandria, Ägypten
390  n.Chr.
    O bwohl sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, hetzte die Priesterin durch den dunklen Geheimgang. Hinter ihr lauerte der Tod – bedrohte nicht nur sie, sondern auch alle anderen. Und die musste sie warnen.
    Die Bibliothek stand in Flammen.
    Die Priesterin strauchelte, schrammte mit der nackten Schulter an der rauen Wand entlang und wäre um ein Haar gestürzt. Aber sie fing sich wieder, rannte weiter, rang nach Luft. Selbst hier, aus sicherer Entfernung, spürte sie die Hitze, atmete den Brandgeruch ein. Würde sie die anderen noch rechtzeitig erreichen?
     
    Während sich Philos das warme Öl von der Haut strich, sinnierte er darüber nach, welch glücklicher Fügung es zu verdanken war, das hinreißendste Geschöpf unter der Sonne für sich zu gewinnen. Artemisia würde dem naturgemäß widersprechen und vorbringen, dass ihr Gesicht zu rund und ihre Nase zu stumpf sei. Für den Hohepriester Philos jedenfalls war sie der Mond; ihre Ausstrahlung schlug jeden Mann unwillkürlich in Bann.
    Sie hatten sich gerade geliebt, und jetzt entspannte sich Artemisia in dem parfümierten Wasser ihres privaten Bades. Anschließend würden sie, unabhängig voneinander, wieder in die Bibliothek gehen und sich ihren ernsten Pflichten widmen, ohne etwas von ihrer verbotenen Liebe preiszugeben.
    Artemisia sah aus dem dampfenden Wasser zu ihm auf. Wenn Philos zu ihr ins Bett kam, nahm er stets seine Perücke ab. Wie alle Priester rasierte er sich den Schädel, was ihm das Aussehen eines Adlers verlieh, nicht zuletzt wegen seiner markanten Nase, die sie liebte. Philos war der bestaussehende Mann überhaupt. Und er gehörte ihr.
    Wenn sie doch nur heiraten könnten!
    Dem stand ein ehernes Gesetz entgegen. Bereits vor ihrer Geburt waren sie dem Dienst der Bibliothek und ihrer geheimen Mission geweiht worden. Als Kinder hatten sie das Gelübde der Keuschheit abgelegt, leichtfertig – was wusste ein Kind schon von körperlicher Liebe? Sollte ihre unzulässige Beziehung entdeckt werden, würde man sie aus der Priesterschaft ausstoßen, von ihrer Familie trennen und in die Wüste jagen, um dort zugrunde zu gehen.
    Urplötzlich fuhr Philos herum. Ein Geräusch an der Tür. Da kam jemand!
    Auch sie hörte es. »Versteck dich!«, zischte sie ihm zu.
    Zu spät. Die Tür ging auf. Eine Priesterin aus der Bibliothek stand dort, ihr weißes Gewand an den Schultern zerfetzt. Nacktes Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Anwesenheit von Hohepriester Philos in Artemisias Gemächern nahm sie gar nicht wahr. »Die Bibliothek brennt!«
    Jetzt rochen sie den Rauch, und als sie durch die Vorhänge in die Nacht spähten, sahen sie den goldenen Schimmer im Bereich der Bibliotheken. Eilends kleideten sie sich an und stürzten ins Freie.
    Der Anblick, der sich ihnen bot, ließ sie erstarren. Prächtige Säulen, Bogen und Kuppeln standen in Flammen. Auf den Straßen drängten sich Menschen, rannten in die brennenden Gebäude hinein, schleppten Stühle, Tische und Bücher wieder heraus, häuften alles zu hohen Stößen auf und hielten Fackeln daran. Ein enthemmter Pöbel bemächtigte sich all dessen, was in und um die Bibliothek greifbar war, raffte Weinkaraffen, heilige Öle, goldene Lampen zusammen.
    »Wir müssen ihnen Einhalt gebieten!«, schrie Artemisia, aber Philos hielt sie zurück. Ein furchtbares Bild bot sich ihnen. Priester und Priesterinnen wurden ins Freie gestoßen, und nachdem man ihnen die Gewänder heruntergerissen hatte, auf die Scheiterhaufen gezerrt.
    »Wir müssen retten, was noch zu retten ist.« Philos nahm Artemisia bei der Hand und rannte mit ihr in Richtung Hafen, wo seit sechshundert Jahren hohe Wälle die Bibliothek gegen das Meer abschirmten. Hier kannten sie einen geheimen Zugang, und als sie sich durch den von Rauchschwaden durchzogenen Tunnel vorwärts kämpften, begegneten sie anderen Priestern und Priesterinnen, die beladen waren mit allem, was sie vor der aufrührerischen Meute hatten retten können. »Zu den Anlegestellen«, befahl Philos ihnen. »Nehmt mit, was ihr tragen könnt, aber bringt vor allem euch in Sicherheit.«
    Philos und Artemisia kämpften sich ins Zentrum des Bibliothekskomplexes vor, ins Sanctum Sanctorum, wo die heiligsten Bücher aufbewahrt wurden. In größter Eile rafften sie die Schriftrollen zusammen und steckten sie unter ihre Gewänder, ohne sich um den erstickenden Qualm und die Hitze zu kümmern, die jenseits der Mauern
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