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Schatten im Park

Schatten im Park

Titel: Schatten im Park
Autoren: Walter Thorwartl
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Schulden gestürzt, schließlich übernahm die Gemeinde den Keller samt Grund. Mit dem ganzen Erdreich, dem Aushub schob man die Kellerfenster zu. Niemand wollte mit der Bauruine etwas Neues anfangen. So ist nur mehr die Kellerdecke zu sehen gewesen. Die wäre auch beinahe zugewachsen, hätte sich nicht nach Jahren der Musikverein für den Platz als idealen Veranstaltungsort interessiert. Der Verein stellte mit Unterstützung der Gemeinde den Pavillon auf das alte Fundament. Wie Sie wissen, wurden daneben Bäume gepflanzt, und so entstand der Park. Jetzt wäre alles bestens gewesen, aber der Platz brachte kein Glück.“
    Gross malte Männchen auf ein Stück Papier. „Warum erzählt er uns das?“, dachte er und sah fragend zu Pichler, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte.
    Eugen Hotter fuhr fort: „Der Verein machte zwar ein paar Aufführungen, aber immer passte irgendetwas nicht. Schließlich zogen die Musiker wieder ins alte Musikerheim, und so verkam der Pavillon langsam. Ich glaube, nur mehr wenige wussten, dass sich darunter ein kompletter Kellerraum befand. Es interessierte auch niemanden. Mich schon. Ich betrieb hinter dem Park meine Autoreparaturwerkstatt. In einer Werkstatt gibt es immer wieder Materialien, deren Entsorgung teuer kommt.“ Hotter räusperte sich. „Ich hatte mir oft Gedanken über eine … elegantere Lösung gemacht. Da fiel mir der Keller ein. Die ideale Möglichkeit, nur wenige Meter entfernt! Ich begann zu überlegen, wo das nächste Kellerfenster sein könnte. Gleich bei der ersten heimlichen Untersuchung hatte ich Glück. Ein paar Herren halfen mir bei dieser Tätigkeit. Die Rasenziegel wurden perfekt ausgestochen, die Erde darunter bei Nacht und Nebel beseitigt. Wir legten das Kellerfenster frei. Der Zufall wollte es, dass es hinter einem Busch versteckt lag. Und so wurde das anfallende Altöl aus meiner Werkstatt durch das Kellerfenster in den Raum gepumpt. Der Geruch machte uns keine Sorgen. In der Nähe einer Werkstatt stinkt’s immer. Außerdem arbeiteten die Herren peinlichst sauber. Das ging einige Zeit so dahin. Wir entsorgten auch andere Dinge, weil es so einfach war, Batterien und Ähnliches. Nicht, dass wir den vergessenen Keller voll bekommen hätten, aber ich denke, viel fehlte nicht mehr. Dann stellte ich Jonsch für grobe Arbeiten ein. Sie kennen Jonsch?“
    Christian Gross’ Gesichtzüge waren hart geworden. Gestand dieser Mann gerade eine Straftat? Erst recht wollte er die ungeheure Geschichte zu Ende hören. „Sie meinen Jonsch Gellert, den Gelegenheitsarbeiter, der vor zehn Jahren spurlos verschwunden ist?“
    Eugen Hotter nickte. „Ich dachte mir, er würde sowieso nicht mitbekommen, was hier passierte. Er schnüffelte aber immerzu und fragte nach Öl. Einer meiner Mitarbeiter warnte mich vor, und er hatte recht. Jonsch stand eines Abends nach der Arbeit vor mir, grinste und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Er wollte Schweigegeld, mehr Geld, als wir ausgemacht hatten. Ich hatte auch vor, ihm bei dem Kauf seines Häuschens zu helfen. Ehrlich, das hatte ich vor. Ich wollte sowieso mit dem Ganzen aufhören, weil mir alles zu heiß wurde. Eine Lieferung noch, dachte ich mir, und dann füllen wir das Loch wieder auf. Rasenziegel drauf, Schwamm drüber. Aus. An diesem letzten Abend arbeitete Jonsch besonders eifrig. Er schob eine der großen Batterien durchs Fenster in den Ölsee. Da passierte das Unglück: Er rutschte aus und fiel in den Keller. Wir hörten noch einen Aufschrei, ein Blubbern und dann nichts mehr. Glauben Sie mir, wir hätten ihm nicht helfen können. Wir riefen zwar: ‚Jonsch! Jonsch!‘ Keine Antwort. Ein Mitarbeiter starrte durch das Fenster: ‚Mit dem ist es aus! Der ist im Öl ersoffen.‘ Auch wenn wir Hilfe geholt hätten, sie wäre zu spät gekommen. Unsere gesamte Aktion wäre außerdem aufgeflogen.“
    „Na klar. Deshalb keine Hilfe für Herrn Gellert. Sind Sie sicher, dass Sie bei dieser Version bleiben wollen?“, bemerkte Pichler bissig.
    Der Buchhändler blickte auf: „Wie bitte? Ach so. Ich schwöre Ihnen, Jonsch hätte keiner mehr helfen können. Was sollten wir also tun? Es war tragisch, aber Jonsch ging ja niemandem ab. Er hatte weder Verwandte noch Freunde. Also buddelten wir alles zu. Anfangs hatte ich große Gewissensbisse, glauben Sie mir.“ Eugen Hotter fuhr sich nachdenklich durch die Haare. „Ich habe mir oft überlegt, wie so einer mit der Zeit ausschaut, wenn er im Öl ertrinkt. Ist er durch und
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