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Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel

Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
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schuldig.« Kurz angebunden riss er sich los und bog anstatt in die Hauptstraße in eine weitere Nebengasse ein, die in einem Bogen in entgegengesetzter Richtung direkt zum Englischen Garten führte. Vielleicht tat es ihm gut, noch eine Weile flott spazieren zu gehen, einigermaßen frische Luft zu atmen und den Kopf freizubekommen.
    Anne war für einen Augenblick so verblüfft, dass sie eine Weile brauchte, bevor sie ihm nachrannte. So schroff hatte er sich ihr gegenüber nur selten benommen, das konnte sie kaum auf sich sitzen lassen.
    »Bleib sofort stehen!«, schrie sie ihn an, packte ihn erneut am Arm und riss ihn zu sich herum. Sie war eher klein, verfügte jedoch über eine gewaltige Körperkraft, mehr als jeder Mensch. Und mehr als Robert. »Niemand springt so mit mir um!«
    Er blieb stehen. »Ich will nicht darüber reden. Geht das nicht in deinen Kopf?«
    »Oh, du
wirst
darüber reden, und zwar hier und jetzt. Ansonsten verabschiede dich zuerst von deinem liebsten Körperteil, dann vom zweitliebsten ... und so fort, bis du nachgibst.«
    Zum Glück war niemand in der Nähe. Annes Aussehen hatte sich erschreckend verändert, sie zeigte ihm offen ihre wahre elfische Natur. Immer noch eine Frau, immer noch schön, aber auch Feuer speiend und gefährlich wie ein Dämon, mit Reißzähnen bewehrt und Augen, in denen die Hölle brannte. Ein völlig fremdes, furchterregendes Wesen stand vor ihm, dessen Krallen Robert mit nur einem einzigen Hieb in Stücke reißen konnten. So musste sie sich zuletzt ihrem Vater präsentiert haben.
    Also schön, es hatte keinen Zweck, Anne würde keine Ruhe geben, und Robert hatte keine Lust, seine Einzelteile auf der Straße zusammensuchen und darauf warten zu müssen, bis sie wieder angewachsen waren. Das würde nicht nur äußerst zeitraubend, sondern auch sehr schmerzhaft werden – vorher
und
nachher. Außerdem wollte er sich das Gerede etwaiger Passanten ersparen.
    Also sah er sich schnell um. Niemand war in der Nähe. Gut, denn er würde nicht lange brauchen.
    »Ich kann es nicht mehr, verstehst du?«, schrie er sie an und tippte sich mit dem Finger gegen die Schläfe. »Da ist nichts mehr drin! Keine Inspiration, kein Antrieb, keine Formulierung. Es ist alles weg!«
    Er hob die Arme und ging weiter, auf den großen städtischen Park zu. »Seit meinem Tod habe ich nur mit Ach und Krach den letzten Schliff vornehmen können. Aber das war’s!«
    Anne beruhigte sich und nahm ihr normales Aussehen an. »Dann brauchst du eben noch Erholung ...«, begann sie.
    »Ja, für die nächsten paar tausend Jahre«, unterbrach Robert. »Machen wir uns nichts vor, Anne – es ist vorbei. Ich bin kein Mensch mehr. Deine Musenkräfte wirken nicht länger. Ich werde niemals wieder ein Buch schreiben! Nicht einmal ein schlechtes!«
    Sie hatten den Park fast erreicht, und Roberts Nasenflügel blähten sich leicht. Sein Geruchssinn empfing die Ausdünstungen von nassem Holz, Schnee, Eichhörnchen und vielen Hunden samt ihren Menschen. Der Duft von Kettenöl von Fahrrädern, Sohlenleder und Plastikschirmen wehte ebenfalls zu ihm herüber. Wolken zogen am Himmel auf, und der Wind brachte die Vorboten frischen Schneefalls mit sich.
    »Robert ...« Anne holte ihn erneut ein, und Robert bemerkte, wie seltsam die Konstellation war. Sonst hatte immer er hinter ihr herlaufen müssen.
    Er hielt an und starrte auf sie hinab. »Was?«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm, aber diesmal nicht, um ihn hart zu packen. Es wäre fast eine mitfühlende Geste gewesen, wenn er es nicht besser gewusst hätte. »Vielleicht ...« Sie zögerte.
    »Nun sag schon«, forderte er brummend.
    »Vielleicht ist immer nur dieses eine Buch in dir gewesen, Robert. Nie mehr als dieses eine, einzige, großartige und geniale Werk.«
    »Oh.«
    Mehr brachte er dazu nicht heraus. Ihre Worte schmerzten tiefer als alles andere. Sie bedeuteten das Ende jeder Schreibblockade, die er sich einreden mochte, oder der Ausrede, kein Mensch mehr zu sein. Es war eine knallharte Wahrheit, an der sich nichts ändern konnte. Niemals.
    »Es tut mir leid, Robert.«
    »Tut es das?«
    »Ja.« Sie zwang ihn, sie anzusehen. »Ja, verdammt, es tut mir leid! Ich bin eine Muse.
Deine
Muse! Ich habe das Herz einer Muse, das fühlt und leidet und sich freut. Denkst du, es gefällt mir, dass ich nicht mehr in der Lage bin, einen kreativen Funken in dir anzufachen? Dass er erloschen und Asche ist, für immer? Was bleibt mir denn, nachdem ich mit allem gebrochen
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