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Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel

Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
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Tannennadeln. Die Buden waren festlich geschmückt und beleuchtet, und die Marktschreier priesen ihre Waren an. An der Heiliggeistkirche und dem Alten Rathaus vorbei erreichten sie die Fußgängerzone des Marienplatzes, als das 12-Uhr-Glockenspiel erklang. Die meisten, die stehen blieben, dem Spiel zusahen und lauschten, waren Touristen; die anderen eilten geschäftig weiter. Dabei war es ein Moment zur Besinnung, exakt zu dieser Stunde, zum Innehalten für ein paar Herzschläge.
    »Weißt du, München ist so schrecklich
busy
geworden«, sagte Robert. »Ich kannte meinen Geburtsort, als er noch die
Weltstadt mit Herz
gewesen war. Doch heute ist alles Talmi, und diese künstliche Schickimicki-Gesellschaft ist so hohl und leer, was überhaupt nicht in dieses nach wie vor eher gediegene und bäuerliche Ambiente passt ... Da wird Vorbildern nachgeeifert, die nie erreicht werden können, weil München viel zu klein dafür ist. Hier ist nichts schillernd, keine Skyline, überhaupt nichts Bemerkenswertes aus der Moderne. Was schön war und alt, wird übertüncht und verdeckt von proportionslosen Neubauten, die allenfalls eher klotzig denn schick sind und auch noch die letzte Atmosphäre mit schweren Schatten erdrücken. Die Straßen sind klein und eng, es gibt keinen erkennbaren Stil; alles prallt zusammen und schwimmt irgendwo im Dazwischen, ohne Individualität zu besitzen.« Er schüttelte sich übertrieben. »Ich sage dir was, im Januar werden wir es beide satthaben und uns nach der Insel sehnen, wetten?«
    »Schon möglich«, antwortete Anne. »Ich denke, bis dahin ... bin ich mit allem fertig geworden. Aber wie steht es mit dir?«
    »Weiß nicht«, wich er aus und ging schneller. Er wollte, dass Anne gesund wurde, über sich selbst dachte er nicht nach.
    »Schaufensterbummel« nannte Robert ihren Gang entlang der breiten Fußgängerzone in Richtung Karlsplatz und Stachus. Und Anne machte ausgiebig davon Gebrauch. An einer Boutique konnte sie nicht mehr widerstehen und zog ihn nach innen. Sie probierte einen teuren Fummel nach dem anderen an, und Robert ließ sie lachend gewähren. Warum auch nicht? Er konnte es sich leisten. Am Ende bat er, die Unmengen an Tüten an seine Adresse zu schicken, und gab den Namen der alten Frau im vierten Stock an, die immer zu Hause war. Sie würde vermutlich ziemlich staunen, umso mehr, als Robert ein Accessoire für sie obenauf packen ließ, mit ihrem Namen versehen.
    Es war toll, reich zu sein. Nicht arbeiten zu müssen. Alles lief von selbst.
    Sie steuerten nun die U-Bahn vom Stachus an. Auf der linken Seite kurz vor dem Karlstor lagen der ehrwürdige Mathäser-Filmpalast und das antagonistische McDonald’s, als Annes Kopf plötzlich herumruckte.
    »Was ist?«, fragte Robert, augenblicklich alarmiert. Mit seinen um ein Vielfaches geschärften Sinnen konnte er ihre Unruhe und die Ahnung einer Gefahr sofort spüren.
    Wer sollte sie am helllichten Tag angreifen, an diesem öffentlichen Ort? Und warum?
    Der Getreue
, durchzuckte es ihn kurz.
Er ist von Island und den Toten zurück
...
    Undenkbar wäre es nicht. Bandorchu könnte dem Kapuzenmann den Auftrag gegeben haben, die abtrünnige Lan-an-Schie und ihren zum Vampir gewordenen Grenzgänger zu sich zu holen, um irgendwelche Dienste von ihnen zu erpressen oder sie hinzurichten oder eines nach dem anderen. Und da Robert keinesfalls zulassen würde, dass seinetwegen Menschen zu Schaden kämen, wäre auch der Zeitpunkt günstig, ihn ohne große Anstrengung zum Mitkommen zu »überreden.«
    So angestrengt er sich auch umsah, fand er niemanden, der nichtmenschlich wirkte. Seine Vampiraugen konnten die meisten Larven durchschauen, doch an diesem Ort gab es keine. Alle Leute waren hundertprozentig menschlich.
    »Ich weiß nicht genau ...« Annes Stimme drang von ferne an sein Ohr. Die Muse war stehen geblieben und hielt den Kopf leicht schief, als ob sie lauschte. Ihr Blick war nach innen gerichtet. »Mir ist, als hätte ich etwas gespürt ... etwas sehr Altes ...«
    »Und wo?«
    »Das versuche ich gerade herauszufinden. Es war nur ein kurzer Impuls.« Sie verharrte noch eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf. »Es ist fort. Wahrscheinlich habe ich mich getäuscht.«
    Robert war beunruhigt. »Du täuschst dich nie, Anne.«
    »Danke für das Kompliment.« Sie hakte sich bei ihm unter. »Ich habe Hunger. Haben wir noch Zeit, essen zu gehen?«
    Er freute sich über diese Frage. Es schien ihr wirklich besser zu gehen. Vielleicht sollte er
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