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Schandtat

Titel: Schandtat
Autoren: PeP eBooks
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weil Anna ihre Meinung auf keinen Fall ändern wollte. Wir waren sogar Freundinnen geworden, und für eine lebensgroße Barbiepuppe war sie gar nicht mal so übel.
    Inzwischen waren zwei Wochen vergangen, seit meine Mutter plötzlich vor der Haustür gestanden hatte, und als ich die Menge absuchte und sie und meinen Dad fand, winkte ich ihnen kurz zu. Die beiden waren schon komisch. Aber Eltern sind immer irgendwie komisch. Nach dieser ersten angespannten und fast paralleluniversalen Erfahrung, meine Mom und meinen Dad gemeinsam an einem Tisch
sitzen zu sehen, hatten sie mich wissen lassen, dass Mom für eine Woche oder so bleiben würde, damit sie »die Dinge ins Reine bringen« konnten. Mein Dad erklärte, wir seien trotz allem eine Familie, auch wenn wir getrennt lebten, und um innerhalb einer Familie zu funktionieren, müsse man einander auch kennenlernen.
    Nein, sie sind nicht zusammen, und nein, ich glaube auch nicht, dass sie es jemals sein werden, und ja, ich werde wohl immer die Daumen drücken, dass sie sich doch wieder ineinander verlieben, aber im Laufe dieser relativ kurzen Zeit konnte ich an beiden diverse Veränderungen feststellen. Vielleicht waren es neue Verhaltensweisen, aber wenn ich sah, wie sie miteinander im selben Haus lebten und dieselben Mahlzeiten kochten und am selben Tisch zu Abend aßen, schienen mir diese Verhaltensweisen doch eher alt zu sein, so als stammten sie noch aus der Zeit ihrer Beziehung, bevor ich mit ins Spiel gekommen war.
    Ich fand ja, dass sie gut für einander waren, aber auch bei Medizin schmeckt oft ausgerechnet das Zeug am schlechtesten, was am besten für einen ist.
    Für jeden schroffen Ausbruch meiner Mutter, zu denen sie nach wie vor neigte (insbesondere wenn es darum ging, wie lange ich mit Theo ausbleiben durfte, oder um meine Noten oder die neue Tätowierung, die ich haben wollte), war mein Dad ein friedlicher See der Vernunft und der Diplomatie. Die beiden reagierten aufeinander vermutlich wie Salz und Pfeffer - wenn sie sich vermischten, verloren sie an Schärfe. Mein Dad hatte mit ihrer Unterstützung viel weniger von einer Lampe, und das Feuer in ihren Augen verbrannte einen durch seine Hilfe nicht mehr so oft zu
Asche. Morgen wollte sie wieder abreisen, und ich würde sie sogar richtig vermissen. Sie war extra einige Tage länger geblieben, nur um diese Aufführung zu sehen, und ich schätze, das hat mir wirklich etwas bewiesen.
    Ich räusperte mich, schaute zur Seite und fing Mrs Bairds Blick auf. Sie war schon cool, wirklich, und ich hatte inzwischen auch begriffen, dass ihr Chor ganz und gar nicht traditionell war, was mir ziemlich gut gefiel, denn es bedeutete, dass sie Mut hatte.
    Meinem Dad war es gelungen, eine Elternbeiratssitzung wegen der Regeln für das Vorsingen zu erwirken, und als die Debatte zwischen uns, dem Chorausschuss und dem Elternbeirat gerade angefangen hatte, stand Mrs Baird auf und präsentierte eine Liste mit Regeln für das Vorsingen, die sie selbst zusammengestellt hatte. Sie erklärte allen Anwesenden, dass sie kündigen würde, falls sie diese Regeln nicht akzeptierten. Ganz einfach. In den letzten acht Jahren hatte sie immerhin fünf der sieben Chorensembles zu verschiedenen Landesmeisterschaften geführt, und darauf wollte natürlich niemand verzichten.
    Ich ließ den Blick über die Menge schweifen und dachte an all das, was sonst noch geschehen war. Colby Morris wurde wegen Körperverletzung angeklagt und vom Jugendgericht in vier Fällen verurteilt: zweimal für Velveeta, einmal für mich und einmal für Theo. Aber er musste letztendlich doch nicht in den Jugendknast, weil sein Vater seine Beziehungen hatte spielen lassen, sodass Colby nur eine Bewährungsstrafe bekam. Allerdings verschwanden die College-Scouts mit ihren Stipendien ziemlich schnell, nachdem der gerichtlich vorgeschriebene Drogentest positiv ausgefallen
war. Colby hatte über ein Jahr lang OxyContin eingeworfen, und nun saß er irgendwo in Sacramento in einer Suchtklinik, und zwar so lange, bis er wieder zu Verstand kam.
    Und dann war da natürlich noch Velveeta. Er hat die Stadt verlassen und lebt wieder in der Wüste, auf sich allein gestellt. Verabschiedet hat er sich nicht. Ich glaube, er kann Abschiede nicht leiden. Aber er hat mir eine Notiz hinterlassen:
     
    Poe,
ich geh nach Hause. Diese Stadt ist nix für mich.
Velveeta
     
    Ich werde ihn vermissen, genauso wie ich meine Kumpel zu Hause vermisse. Diese Stadt kann echt brutal sein, aber ich bleibe
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