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Schandtat

Titel: Schandtat
Autoren: PeP eBooks
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meine Lippen waren wie erstarrt, mein Körper gelähmt, während rohe Gewalt auf die Lichtung niederprasselte wie ein Sturm aus einem bösen Albtraum. Ein Sturm, den ich ausgelöst hatte, und, wie ich erstaunt feststellte, ein Sturm, in dem Colby Morris unterging. Tränen schossen mir in die Augen, als Velveeta seine Hände um Colbys Kehle legte und mit aller Kraft zudrückte.
    Als Colbys Gesicht schon blau anlief, konnte ich endlich schreien. Velveeta blickte zu mir herüber, seine Augen dunkel und geradezu animalisch, während er auf Colby hockte und ihn würgte. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Vel. So nicht. Bitte. Hör auf«, krächzte ich.
    Seine Augen zeigten keinerlei Reaktion.

    Plötzlich stürmte ein Koloss in einem weißen Arbeitshemd auf die Lichtung und stürzte sich auf die beiden Kampfhähne. Kräftige Arme rissen Velveeta von Colby weg.
    »GENUG!«, brüllte Detective Worthy. Seine Brust bebte, und sein Gesicht war wutverzerrt, als er seine Waffe aus dem Holster zog. Colby lag reglos da, starrte Worthy an und rang nach Luft. Velveeta betrachtete fasziniert die Waffe, als hätte er etwas Derartiges noch nie gesehen.
    Für einen Moment war alles still. Als Theo sich rührte, schleppte ich mich zu ihm.
    Colby beobachtete mich dabei.
    Mein Gesicht tat höllisch weh. Ich sah ihn an. »Du bist erledigt.«

ZWEIUNDDREISSIG
    Als ich die Tür öffnete, stand vor mir eine Frau in hellbraunen Cargohosen, einem robusten, wollweißen Levi’s-Hemd und dunkelbraunen Stiefeln. Sie hatte gut und gern zehn bis fünfzehn Pfund abgenommen, was wohl dem südamerikanischen Dschungel zuzuschreiben war, der seinen Tribut gefordert hatte. Völlig perplex musterte ich sie von Kopf bis Fuß. »Was machst du denn hier?«
    Ihre Überraschung war mindestens genauso groß wie meine, als sie mein noch immer blaues Auge anstarrte. »Oh mein Gott, Poe, was ist passiert?«
    »Ich bin in eine Schlägerei geraten. Wieso bist du nicht in Südamerika?«
    Wir sahen einander direkt in die Augen, ihr Blick war wie immer eindringlich. Kein Lächeln, aber auch kein Stirnrunzeln. Hart, aber nicht wütend, sondern eher fragend. »Nach unserem Gespräch bin ich achtzig Meilen auf der Ladefläche eines Versorgungslasters mitgefahren und habe dann den erstbesten Flug genommen, den ich kriegen konnte. Ist dein Vater zu Hause?«
    Mir blieb fast das Herz stehen, mein Atem ging schneller. Eine aufgescheuchte Herde Kakerlaken wimmelte in meinem Magen. »Ja.«
    Sie stand noch einen Moment lang da, dann beugte sie sich vor und umarmte mich. »Soll ich den ganzen Nachmittag
hier draußen stehen, oder hast du vor, mich hereinzubitten?«
    Dads Stimme kam von hinten. »Poe, wer ist an der …«
    Schweigen. Ich trat beiseite.
    Nur wenige Schritte trennten die beiden voneinander. Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war ich noch ein Baby gewesen. Keiner sagte ein Wort, sie starrten sich nur an, und mir kam es so vor, als wären die letzten fünfzehn Jahre innerhalb nur weniger Sekunden vorbeigerast. Dann lächelte sie und nickte. »Hallo, David.«
    Er trat vor. »Hallo, Nancy.«
    Ich glotzte sie an. »Was machst du hier, Mom?«
    Sie betrachtete mich, und in ihren Augen glitzerte etwas, das ich bei ihr noch nie gesehen hatte, wie winzige Diamanten in kleinen blauen Seen. Traurigkeit. Ihr Blick wanderte zu Dad, dann wieder zu mir. »Ich dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt, um endlich damit anzufangen, das zu reparieren, was schon vor so langer Zeit hätte repariert werden sollen.«
    Dad stand schweigend an der Tür, ein Mann, der schon so lange allein gewesen war, dass er Fugen mit einer Zahnbürste schrubbte; dann trat er beiseite. »Bitte, komm doch rein.«

EPILOG
    »Mein Name ist Poe Holly, und ich bin neu hier.« Ich stand mitten auf der Bühne der akustisch perfekten Schulaula. Mein blaues Auge war mittlerweile verblasst. Hinter mir stand der Chor, alle in ihren Gewändern, und vor mir warteten geduldig Hunderte von Leuten. Theo winkte mir von seinem Platz aus zu. Er hatte sich mir zu Ehren einen Smoking geliehen - was für ein Spinner.
    Ich entdeckte Anna Conrads Vater in der dritten Reihe. Ihre Mutter saß an seiner Seite und starrte mich finster an. Anna saß neben ihr und grinste wie eine dämliche Schulballkönigin, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Seit sie aus dem Chor ausgetreten war, hatte sich ihr Zuhause in eine endlose und zugleich wunderbare Hölle verwandelt. Endlos, weil ihre Mutter unnachgiebig war, und wunderbar,
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