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Schandtat

Titel: Schandtat
Autoren: PeP eBooks
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zu Hause.«
    »Hast du Bedenken, weil ich auch dort sein werde? Als Schulpsychologe?«
    Ich hielt den Blick starr auf meinen Teller gerichtet, während sich Wut in mir aufbaute. Jetzt passte alles zusammen, und ich konnte mir die Telefongespräche sehr gut vorstellen, die Mom mit ihm geführt hatte. Zwar war das Letzte, was ich an meinem ersten Tag wollte, mich mit ihm anzulegen, aber ich fühlte mich für dumm verkauft. »Ich brauche keine Therapie.«
    Er räusperte sich. »Du verhältst dich defensiv, Poe, dabei gibt es gar keine Bedrohung. Wirklich nicht.«
    Ich sah ihm direkt in die Augen. »Ich bin nicht verkorkst. Ich bin nicht meinetwegen hier, ich bin wegen meiner Mom hier. Ganz egal, was sie dir erzählt hat.«
    »Ich habe dir gesagt, worüber sie gesprochen hat, Poe, und das war nichts Schlechtes.«
    Ich legte meine Serviette auf den Tisch. Der laberte doch nur Müll. Ich kannte meine Mom gut genug, um zu wissen, was sie gesagt hatte. Mir allein wird sie die Schuld zugeschoben haben, so wie sie immer anderen Leuten für jeden Mist in ihrem Leben die Schuld gibt. Ich stand auf. »Ich kenn doch meine Mutter, also kannst du genauso gut damit aufhören.«
    »Ich kenne deine Mutter auch.«
    Das brachte mich zum Schweigen. Er hatte gerade eine Tür geöffnet, die er lieber nicht hätte öffnen sollen, und ich
spürte, wie es in mir brodelte. Ich war reingelegt worden. Von allen beiden. Ich konnte meine Mom förmlich am Telefon vor mir sehen, wie sie einen diplomatischen und zugleich fürsorglichen Tonfall anschlug. Oh Gott, ich mache mir solche Sorgen um sie. Es ist fast, als würde ich sie nicht mehr kennen - sie hat sich so sehr verändert. Mit den schwarzen Outfits und ihrer negativen Einstellung allem und jedem gegenüber. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Hmmm. Kannst du ihr nicht vielleicht helfen, David? Sie wieder auf Kurs bringen? Ich meine, das ist es doch, was du so tust, nicht wahr? Ich kannte diesen Deal. Aber mich traf keine Schuld an unserer verkrüppelten Mutter-Tochter-Beziehung. Sie wollte einfach nicht länger eine Mom sein, und die beiden hatten mich ausgetrickst. Ich passte genauso wenig in ihr perfektes, elitäres Leben, wie ich hierher gehörte, wo ich Lachs mit einem Mann aß, dem ich im Grunde nie zuvor begegnet war. Ich schäumte innerlich. Nichts war schlimmer, als von jemandem angesehen zu werden und zu wissen, was derjenige dachte.
    Was mich nur noch wütender machte, war die Tatsache, dass ich hier am ersten Tag mit meinem völlig fremden Dad saß und mich bereits mit ihm in die Haare kriegte. Ich war wohl zum Streiten verdammt, und ich konnte nichts dagegen tun. Jahrelang hatte ich über diesen Augenblick nachgedacht, und meine Gedanken waren niemals erfreulich gewesen. In meiner Fantasie ging Poe Holly unverhohlen auf ihn los und setzte ihrem Loser-Dad die Pistole auf die Brust, bevor sie für immer in den Sonnenuntergang davonritt. »Was du nicht sagst. Bestimmt kennst du sie so gut, weil du so oft da warst, nicht wahr?«

    »Poe …«
    »Komm mir nicht mit Poe. Diesen Scheiß muss ich mir von ihr andauernd anhören. Ich bin nicht hier, weil ich verkorkst bin, sondern weil sie beschlossen hat, nicht länger meine Mom zu sein. Ich bin entbehrlich.« Ich starrte ihn an. »Genauso entbehrlich wie damals, als du abgehauen bist.«
    Er lehnte sich zurück und holte tief Luft. Der Therapeut hatte offenbar ein Problem, aber meinetwegen sollte er ruhig den Schwanz einziehen und winseln. Auch wenn ich mich schrecklich dabei fühlte. Er nahm sich einen Moment Zeit. »Was ist die Lösung für dieses Problem?«
    Ich sah ihn an. »Bitte?«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Glaubst du tatsächlich, nur du allein steckst in dieser Klemme, Poe? Dass du die Einzige bist, die mit Vorurteilen zu kämpfen hat? Geradeso wie du dich fragst, was ich von dir denke, frage ich mich, was du wohl von mir denkst. Würdest du dich bitte wieder hinsetzen?«
    Ich musterte ihn skeptisch und fragte mich, wie das Ganze wohl aus seinem Blickwinkel aussehen mochte. Dann setzte ich mich wieder hin. »Ich brauche keine Therapie.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich sage nicht, dass du eine brauchst. Du sagst, dass du keine brauchst.«
    »Ich weiß, worum es hier geht.«
    »Ich sage dir, was ich denke, wenn du mir sagst, was du denkst. Abgemacht? Keine therapeutischen Ratschläge, kein anschließendes Gespräch. Nur die Wahrheit darüber, was wir in dem anderen sehen.«
    Ich trank einen Schluck. Jetzt würden wir ja zu
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