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Schandtat

Titel: Schandtat
Autoren: PeP eBooks
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Tabaksaft aus, diesen noch weiter als den letzten. Er starrte einen Moment auf die Stelle, wo der Schleim gelandet war, quittierte seinen neuen Rekord mit einem Nicken und seufzte. »Scheiße.«
    »Scheiße was?«
    Er musterte mich von Kopf bis Fuß, dann musterte er sich selbst von Kopf bis Fuß, und sein Blick blieb an seinen verschränkten Armen hängen, diesen käsigen, sommersprossigen Spaghettiärmchen. »Ich habe eine Freundin.«
    »Cool.«
    Er nickte, dann lächelte er mit nur einem Mundwinkel. Ganz offensichtlich eine Elvisimitation, aber es erinnerte mich mehr an einen Schlaganfall. »Vor dir steht ein Mann, der nur einer Frau gehören kann. Sorry.«
    Um ein Haar hätte ich laut losgeprustet, aber er war dabei so ernst, dass ich es nicht übers Herz brachte. »Na, dann bin ich wohl abgeblitzt.«
    »Also magst du Käse?«
    »Ich schätze mal, genauso sehr wie jeder andere auch.«
    »Hast du eine Lieblingssorte?«
    Ich wusste zwar noch nicht, dass ich hier in der Käsewelt gelandet war, aber damit konnte ich umgehen. »Schweizer.«
    »Magst du Velveeta-Käse?«
    »Klar. Auf Nachos beispielsweise.«
    Er lächelte - dabei schälten sich die Lippen von seinen Hasenzähnen zu einem ausgesprochen blöden Grinsen. Sein Gesicht war das ausdrucksvollste, das ich je gesehen hatte; es wandelte sich ständig von einem blödsinnigen Extrem zum
nächsten. »Gute Idee.« Er nahm die Hand vom Zaun und winkte. »Man sieht sich. Ich hab einen Schiss in der Größenordnung von Chicago abzuladen, und das kann nicht länger warten. Ich muss jetzt erst mal die Nougatschleuse öffnen und einen Snickers aus dem Rücken drücken, das wird eine schwere Geburt.« Dann ging er davon und ließ mich sprachlos zurück. Klar, jeder von uns muss scheißen, aber das kündigen die Leute normalerweise nicht lauthals an, es sei denn, sie sind sechs Jahre alt. Als er seine Veranda erreichte, drehte er sich noch einmal um. »Hast du einen Namen?«
    Ich lächelte, aus irgendeinem seltsamen Grund mochte ich diesen Typen. Ich spielte sein Käsespiel mit. »Gouda. Gouda Provolone.«
    Er legte die Stirn in Falten. »Bist du Deutsche oder so?«
    Ich sah ihn an. Wusste in dieser Stadt denn niemand, was ein Witz war? »Ja, genau.«
    Er nickte mit einem breiten Lächeln. »Nun, ich scheiß mir gleich in die Hosen. Bis dann.«
    Ich beobachtete, wie Velveeta ins Haus ging, und ließ meinen Blick eine Minute über die Nachbarschaft schweifen. Vielleicht war Velveeta nur eine Erscheinung gewesen. Eine Art halluzinogene Reaktion auf die lange Busfahrt. Er konnte nicht real sein. Niemand spricht solche Sachen laut aus.
    An der Haustür hielt ich kurz inne, denn ich fühlte mich unwohl bei dem Gedanken, einfach hineinzuspazieren, dann beschloss ich jedoch, nicht anzuklopfen. Er hatte ja gesagt, dass ich einfach reinkommen solle, und schließlich war er mein Dad. Als ich die Tür hinter mir zuzog, folgte mir die Stille des Viertels ins Innere des Hauses.
    Zwei Paar Schuhe - einmal die Slipper, die ich schon
kannte, und noch ein Paar Ledersandalen - standen links vom Eingang Seite an Seite. Mich durchzuckte eine Wahnvorstellung: »Mein Dad ist ein Homosexueller, und ich starre gerade auf die Schuhe seines Lovers«, doch dann fiel mir wieder ein, dass er allein lebte. Es waren seine Sandalen, und demnach war dies ein Keine-Schuhe-Haus. Gott, dachte ich. Was, wenn er tatsächlich schwul war? Womöglich war das der Grund, warum er meine Mom verlassen hatte. Zumindest bezweifelte ich keine Sekunde, dass meine Mom einen Mann dazu bringen konnte, schwul zu werden.
    Unter dem Perserläufer, auf dem ich stand, breitete sich im ganzen Haus hochpoliertes dunkles Hartholz aus - der Boden glänzte wie eine Eisschicht. Links vom Eingang standen die Flügel einer großen Fenstertür offen, die in ein förmliches Esszimmer mit sechs Stühlen führte. Mitten im Raum lag ein weiterer Teppich, passend zum Parkett in dunklen, kräftigen Farben. Rechts vom Eingang befand sich ein Wohnzimmer mit dunkelbraunen, messingbeschlagenen Ledersofas und klauenfüßigen Sesseln, die einander gegenüberstanden. Bücherregale (nicht die von Ikea) säumten die Wände, und einige Messinglampen standen sehr geschmackvoll im Raum verteilt.
    Obwohl mein Dad null Gespür für modische Kleidung hatte, musste ich mit einigem Unbehagen feststellen, dass dieses Haus durch und durch vorzeigbar war. Genau wie sein Auto. Und der Garten. Und die Nachbarschaft. Und die ganze Stadt. Über sein Heim hätte in
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