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Schandtat

Titel: Schandtat
Autoren: PeP eBooks
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Ahornbäume säumten die Straße, und die Häuser waren riesig und alt und schön. Dort saß das große Geld, das war nicht zu übersehen. Vor meiner Abreise hatte ich Mom gefragt, was mich denn erwarten würde, und sie sagte, dass sie niemals hier gewesen sei und es daher nicht beurteilen
könne. Sie hatte sich geweigert, mehr dazu zu sagen, als dass dieses Städtchen perfekt zu meinem Vater passe. Und sie hatte recht. Benders Hollow passte ihm wie ein Chirurgenhandschuh, und ich fragte mich einen Moment lang, warum die beiden eigentlich nicht zusammengeblieben waren.
    Fünf Häuser die Mulberry Lane hinunter fuhr er in eine Auffahrt, und ich vermutete, dass hier dann wohl Zuhause war. Es sei denn, er parkte gelegentlich in den Auffahrten anderer Leute. Klasse. Von nun an lebte ich in der Mulberry Lane. Ehe ich mich versah, würde ich demnächst womöglich noch einen Pferdeschwanz tragen und auf dem Bürgersteig seilspringen. Das Haus war allerdings ganz nett - mit mehreren Spitzgiebeln und einer großen, von einer Markise beschatteten Veranda. Der Anstrich war perfekt, der leuchtend grüne Rasen kurz gehalten, nur an der Türklingel hing überraschenderweise ein kleiner Zettel. Außer Betrieb. Bitte klopfen.
    Die ganze Stadt erinnerte mich an ein Foto in der Saturday Evening Post. Die amerikanische Kultur von ihrer besten Seite - solange man nicht umblätterte oder genauer hinsah. Weintrinker … würg. Ich hatte das eine protzige Höllenloch gegen ein anderes eingetauscht, aber zuh Hause gab es wenigstens Partys, Konzerte, Lärm und Freunde. Wir saßen im Wagen. »Was hat sie dir erzählt?«, fragte ich.
    Er schaltete den Motor ab. Mich überkam das Gefühl, dass er das Schweigen während unserer kleinen Spritztour genossen hatte. Er starrte durch die Windschutzscheibe. »Worüber?«
    »Über mich. Ich weiß, ihr habt miteinander geredet.«

    »Ja, aber nicht viel.«
    »Das letzte Mal, als Mom nicht viel geredet hat, war der Tag, an dem Dr. Paulson ihr beim Racquetball den Kiefer gebrochen hat.«
    Er schielte mich von der Seite an.
    »Exfreund.« Ich lächelte. »Das perfekte Paar. Er ließ sich alle zwei Wochen die Haare schneiden, hatte den Golf Digest abonniert und las das Wall Street Journal. Ein rundum vorzeigbares Exemplar, mit dem sie sich überall sehen lassen konnte.«
    Schweigen.
    Ich rutschte auf meinem Sitz herum. »Das war ein Scherz.«
    Geistesabwesend klopfte er leicht aufs Lenkrad; irgendetwas ging ihm durch den Kopf. »Ich fürchte, ich weiß nicht sehr viel über dein Leben, Poe.«
    »Nervös?«
    Er seufzte. »Ja. Das bin ich.« Er sah mich an. »Und du?«
    »Ein kleines bisschen. Und ich weiß rein gar nichts über dein Leben, also sind wir quitt.«
    Er lächelte, dann nickte er. »Deine Mutter sagte, du hättest es schwer, dich an das Teenagerdasein zu gewöhnen.«
    »Manchmal gebe ich auch anderen Leuten die Schuld für alles Mögliche.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte, aber ich wusste nicht so recht, was dahintersteckte. Kein Lächeln jedenfalls. Er nickte. »Sie hat sich bei mir nicht über dich ausgelassen, falls es das ist, was du denkst. Sie ist stolz auf dich.«
    Auf diesen Spruch ging ich gar nicht erst ein.

    Er schüttelte verwirrt den Kopf; offensichtlich wusste er nicht, was er tun sollte. »Ich wollte nicht, dass du hierher kommst und glaubst, dies sei feindliches Territorium. Ich denke nicht schlecht über sie.«
    Ich sah aus dem Fenster zu dem gepflegten Haus hinüber. »Ich weiß genau, warum ich hier bin.«
    »Nun, ich weiß es nicht, und ich werde darüber auch kein Urteil fällen, okay?«
    Ich lächelte. »Dann mach ich das für dich.«
    Darüber musste er lächeln. »Komm, ich zeig dir das Haus.«
    »Ich denke, ich bleib noch ein paar Minuten hier sitzen.«
    Er atmete aus, dann nickte er wieder. »Klar. Komm rein, wann immer du willst.«
    In Wahrheit war ich nicht nur ein bisschen, sondern richtig nervös. Ich wollte nicht ins Haus. Ich wollte gar nicht hier sein. Er wirkte zwar ganz nett, aber das alles war einfach total bizarr. Vertraut, aber auch nicht vertraut. Er war mein Dad, aber Poe Holly hatte keinen Dad. Poe Holly war das Resultat eines Samenspenderprogramms namens Schlechte Wahl und Schwere Fehler. Die beiden waren tatsächlich verheiratet gewesen, ja, aber für wie lange wusste ich nicht. Mom redete nie darüber.

ZWEI
    Ich saß auf den Verandastufen und fragte mich, wie ich ihn eigentlich nennen sollte. Sein Name war
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